Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
war eine Studentin aus Barcelona. »Ich werde Ihnen helfen, so gut ich kann«, sagte sie zu Barbara, die vermutete, dass die Studentin in erster Linie Azhar gefällig sein wollte, und das konnte sie ihr nicht verdenken. Die beiden waren ein hübsches Paar. Aber dasselbe galt für Azhar und Angelina Upman. Oder für Azhar und fast jede andere Frau.
»Danke«, sagte Barbara. »In meinem nächsten Leben werde ich Dolmetscherin.«
»Dann lasse ich Sie beide jetzt allein«, sagte Azhar.
»Müssen Sie noch arbeiten?«, fragte Barbara.
»Nein, ich fahre nach Hause«, antwortete er. »Und vielen Dank, Engracia.«
» De nada «, murmelte die junge Frau.
Sie setzten sich an einen Tisch, und Barbara nahm die Ausdrucke aus dem Umschlag. Als Erstes gab sie Engracia den Artikel mit dem Foto von der Bürgermeisterfamilie. »Ich hab mir ein Wörterbuch besorgt«, sagte sie, »aber das hat mich nicht viel weitergebracht. Ich meine, ein bisschen hat’s schon geholfen, aber …«
»Natürlich.« Engracia hielt das Blatt mit dem Artikel in der einen Hand und spielte beim Lesen mit der anderen an einem goldenen Ohrring. Nach einer Weile sagte sie: »Das hier hat etwas mit Wahlen zu tun.«
»Mit den Bürgermeisterwahlen?«
» Sí . Der Mann – Esteban – kandidiert für den Bürgermeisterposten in dieser Stadt, und dieser Artikel stellt ihn vor. Es ist ein Artikel ohne Lob … wie nennt man das?«
»Lobhudelei?«
Engracia lächelte. Sie hatte sehr schöne Zähne und sehr glatte Haut. Sie trug Lippenstift, aber der war so gut gewählt, dass er kaum auffiel. »Ja. Lobhudelei«, sagte sie. »Hier steht, der Mann hat sehr viele Verwandte in der Stadt, und wenn die alle zur Wahl gehen, wird er gewinnen. Aber das ist wohl ironisch gemeint, denn die Stadt hat immerhin fünfundsiebzigtausend Einwohner.« Sie las ein bisschen weiter. »Hier steht etwas über seine Frau Dominga und über ihre Familie. Beide Familien leben offenbar schon seit Generationen in Santa María de la Cruz, de los Ángeles y de los Santos.«
»Und die Söhne?«
»Die Söhne … Ah. Carlos besucht das Priesterseminar, Miguel möchte Zahnarzt werden, Ángel will Architektur studieren, und die anderen beiden sind noch zu klein, um Berufswünsche zu haben, obwohl Santiago sagt, er möchte mal Schauspieler werden. Und Diego …« Sie las noch ein paar Zeilen und lachte. »Hier steht, er möchte Astronaut werden, falls Argentinien irgendwann ein eigenes Raumfahrtprogramm entwickelt, was er für ziemlich unwahrscheinlich hält. Ich glaube, das ist ein kleiner Scherz. Der Journalist hatte wohl Spaß an dem Jungen.«
Das brachte sie leider nicht viel weiter, dachte Barbara. Sie nahm die nächsten beiden Artikel aus dem Umschlag, die ebenfalls von Raul Montenegro handelten, und reichte sie Engracia. »Sehen Sie sich die mal an.« Sie fragte Engracia, ob sie ein Glas Wein oder etwas anderes trinken wolle. Schließlich nahmen sie einen Tisch in einem Weinlokal in Anspruch, und man erwartete von ihnen, dass sie etwas konsumierten.
Engracia bat um ein Glas Mineralwasser. Barbara ging zum Tresen, bestellte das Wasser und für sich ein Glas Hauswein. Als sie mit den Getränken an den Tisch zurückkehrte, konzentrierte Engracia sich gerade auf den Artikel mit dem Foto von Alatea in Montenegros Arm. Es handle sich um einen Bericht über einen einflussreichen Geldspender in Mexico City, sagte Engracia, und über den Bau einer Konzerthalle. Der Mann auf dem Foto habe die größte Summe für das Projekt gespendet, weswegen ihm die Ehre zuteilwurde, dem Gebäude einen Namen zu geben.
»Und?«, fragte Barbara in der Erwartung, dass die Halle nach Alatea benannt war, da sie auf dem Foto so strahlend lächelte.
»Die Halle heißt Musikzentrum Magdalena Montenegro«, sagte Engracia. »Das ist der Name seiner Mutter. Lateinamerikanische Männer stehen in der Regel ihrer Mutter sehr nahe.«
»Was ist mit der Frau, die mit ihm auf dem Foto abgebildet ist?«
»Hier steht nur, dass sie seine Begleiterin ist.«
»Nicht seine Frau? Seine Geliebte? Seine Lebensgefährtin?«
»Nein, nur Begleiterin.«
»Könnte es sich um eine beschönigende Umschreibung für Geliebte oder Lebensgefährtin handeln?«
Engracia betrachtete das Foto. »Schwer zu sagen. Aber ich glaube nicht.«
»Es könnte also sein, dass sie ihn nur an diesem einen Abend begleitet hat? Oder dass es sich um eine Frau von einem Escort-Service handelt?«
»Gut möglich«, sagte Engracia. »Vielleicht hat sie sich auch
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