Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
mit ihnen in Gegenwart von Manette und Freddie McGhie über genau das Thema gestritten hatte. Er sprach von seiner Mutter, die ihm eröffnet hatte, dass sie diejenige gewesen war, die sich an Scotland Yard gewandt hatte. Und er erzählte ihr, wie verblüfft sie alle gewesen waren, als er ihnen vorgeworfen hatte, diese Polizistin hätte Alatea völlig aus der Fassung gebracht … Dann verstummte er abrupt.
»Und dann?«, fragte Alatea vorsichtig. »Was haben sie dazu gesagt?«
»Die Frau ist gar nicht von Scotland Yard«, sagte er tonlos. »Ich weiß nicht, wer sie ist. Aber irgendjemand hat sie hergeschickt, um diese Fotos zu machen … Sie hat zwar behauptet, sie bräuchte keine Fotos von dir, dass du gar nicht in dem verdammten Film auftreten solltest, doch irgendjemand muss sie geschickt haben, denn diese Filmgesellschaft, in deren Auftrag sie angeblich hier ist, existiert überhaupt nicht. Verstehst du jetzt, warum ich an allem schuld bin, Allie? Alles ist meine Schuld. Ich fand es schon schlimm genug, dass meine Eltern meinetwegen einen Detective von Scotland Yard hergebeten haben, um die Umstände von Ians Tod noch einmal zu untersuchen. Aber zu erfahren, dass das, was diese Frau hier in diesem Haus getan hat, gar nichts mit Ians Tod zu tun hat, sondern nur passiert ist, weil ich so egoistisch bin … weil irgendein bescheuerter Artikel in irgendeinem Käseblatt jemanden auf uns aufmerksam gemacht hat …«
Plötzlich wusste sie, worauf er hinauswollte. Wahrscheinlich hatte sie es von Anfang an geahnt. »Montenegro«, flüsterte sie. »Du glaubst, er hat sie geschickt?«
»Wer sonst soll sie geschickt haben, Herrgott noch mal? Das habe ich dir angetan, Allie. Und jetzt sag mir: Wie soll ich damit leben?«
Er schob sich an ihr vorbei und ging ins Wohnzimmer. Dort konnte sie im schwindenden Tageslicht sein Gesicht besser sehen. Er sah entsetzlich aus, und eine Schrecksekunde lang fühlte sie sich für seinen Zustand verantwortlich, obwohl er es gewesen war, der die angebliche Mitarbeiterin einer Filmgesellschaft in ihr Leben gelassen hatte. Aber sie kam nicht dagegen an. Es war die Rolle, die sie in ihrer Beziehung übernommen hatte, genauso wie es seine Rolle war, sie so verzweifelt zu brauchen, dass er nie irgendetwas in Frage gestellt hatte, solange sie ihn ihrer Liebe versichert hatte. Und das war genau das gewesen, was sie gebraucht hatte: ein Zufluchtsort, wo ihr niemand die Art gefährlicher Fragen stellte, die aus einem kurzen Moment des Zweifels erwuchsen.
Draußen wurde es allmählich dunkel. Die Bucht war ein exaktes Spiegelbild des dunkelgrauen, von orangefarbenen Streifen durchzogenen Abendhimmels.
Nicholas ließ sich in einen der Sessel im Erker sinken und verbarg das Gesicht in den Händen.
»Ich habe dich enttäuscht«, sagte er. »Und ich habe vor mir selbst versagt.«
Alatea hätte ihren Mann am liebsten geschüttelt. Ihm gesagt, dass das nicht der richtige Zeitpunkt war, sich einzureden, er sei die Ursache aller Probleme, die sie hatten. Sie hätte ihn am liebsten angeschrien, dass er überhaupt keine Ahnung hatte, was für schlimme Dinge ihnen noch bevorstanden. Aber wenn sie das tat, würde er daraus unvermeidlich eine Schlussfolgerung ziehen, die es zu verhindern galt.
Nicholas glaubte, wenn Raul Montenegro wieder in ihr Leben trat, würde alles vorbei sein. Er konnte nicht ahnen, dass Raul Montenegro in Wirklichkeit erst der Anfang war.
BLOOMSBURY – LONDON
Barbara fuhr nach Bloomsbury, um in der Nähe der Uni zu sein, wenn Taymullah Azhar sich bei ihr meldete. Da sie noch mehr Informationen über Raul Montenegro sowie über den Ort Santa María de la Cruz, de los Ángeles y de los Santos brauchte, beschloss sie, in einem Internetcafé zu warten. So würde sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Bevor Nkata die Bibliothek verlassen hatte, hatte er ihr zugeraunt: »Such nach Schlüsselbegriffen und klick dich weiter durch. Dafür muss man nicht studiert haben, man braucht nur ein bisschen Übung.« Mit Schlüsselbegriffen hatte er wahrscheinlich die Namen gemeint, die in den Artikeln auftauchten, dachte sie, und falls sie in der Nähe des British Museum ein Internetcafé fand, würde sie es damit versuchen.
Es war nicht der angenehmste Ort, um Internetrecherchen durchzuführen. Sie hatte sich unterwegs ein Wörterbuch Englisch/Spanisch gekauft, und jetzt saß sie zwischen einem übergewichtigen Asthmatiker in einem Mohairpullover und einer Kaugummiblasen produzierenden
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