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Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar

Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar

Titel: Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Zak
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Menschen, die genau wissen, was richtig und was falsch ist. Man braucht nichts zu hinterfragen. Alle Zweifel ausgeschlossen. Auch das Denken überflüssig. Wie heißt es noch mal, wer glaubt, wird selig?«
    »Erzähl du mir nichts vom Glauben! Ich war sieben, als mein Vater tödlich verunglückte. Und wenn ich mein Leben lang nicht fest dran geglaubt hätte, dass es ihm im Himmel gut geht und er von dort aus auf mich hinunterschaut und mir mit seiner Liebe weiterhilft, mich von Dummheiten abhält und mir immer den richtigen Weg aufzeigt, dann wäre ich …«
    »Leber mit Klößchen nach Bozener Art und Tintenfisch in eigener Soße. Tut mir leid, hat etwas länger gedauert. Guten Appetit.«
    Die junge Kellnerin, vermutlich eine Studentin, stellte die Teller ruckartig auf den Tisch. Dabei schwappte die Tintenfischsoße über den Teller, und Judiths Hose bekam einen Spritzer ab.
    »Oh, Verzeihung.«
    Judith stand verärgert auf und ging zur Toilette, um den Fleck herauszuwaschen.
    »Hallo Josif, wie geht es dir?«
    Anna Hiller, die draußen im Hof saß, hatte Josif entdeckt und kam auf ihn zu. Sie umarmten sich.
    »Warum hast du dich nicht gemeldet?«
    »Setz dich.«
    Anna setzte sich auf Judiths Stuhl.
    »Was macht die Kunst? Baut Sandini ein neues Theater auf?«
    »Nein, er wandert aus. Gestern gab es das Abschiedsessen. Er geht in drei Tagen nach Asien.«
    »Als Wandermönch nach China?«
    »Falsch! Als reicher Mann nach Bali. Die Versicherung hat bezahlt, und das Grundstück hat er auch schon verkauft.«
    Judith kehrte an den Tisch zurück. Der Fleck war nicht rausgegangen, und eine fremde Frau auf ihrem Platz trug auch nicht zur Steigerung der Laune bei.
    »Darf ich vorstellen? Judith, das ist Anna. Anna, das ist Judith.«
    »Wir kennen uns.« Judiths Stimme klang alles andere als freundlich.
    »Ist das die Alte, mit der du Schluss gemacht hast, oder ist das schon die Neue, Josif? Das ging aber schnell. Du bist einfach ein toller Typ, offen, ehrlich, tolerant, und ein super Liebhaber – ganz der Onkel Tschechow.«
    Anna stand auf und ging.
    Judith blieb stehen:
    »Ist der Platz wieder frei, oder erwartest du noch jemanden?«
    »Judith, bitte! Das war nur beruflich.«
    »Beruflich? Verstehe …«
    Judith setzte sich hin. Schweigend aß sie einen kleinen kalten Tintenfisch. »Gibt es etwas, das du mir verschweigst?«
    »Ja. Katastrophale Nachrichten für die deutsche Kulturlandschaft. Sandini wandert aus. Nachdem er die Versicherung kassiert und das Grundstück verkauft hat. Hast du Lust auf einen kleinen Verdauungsspaziergang zum Theater?«
    »Ja. Ich habe eh keinen Hunger mehr.«
    2
    Vor dem Theater am Zauntor sahen einige Schaulustige einem einsamen Bagger bei der Arbeit zu. Ein Schild verkündete bereits, dass hier neue Luxus-Eigentumswohnungen entstanden: »Palais de Suelz«, ein Projekt der Kölner Bau AG.
    »Wie gehst du eigentlich mit Niederlagen um, Josif?«
    Der Bagger biss wie ein hungriger Dinosaurier Stück für Stück die Reste des Theaters ab.
    »Inzwischen weiß ich, dass es im Leben jedes Menschen nur einen entscheidenden Sieg und eine Niederlage gibt. Der Sieg ist, wenn du das erste Mal selbstständig einatmest und das mit einem Schrei besiegelst, und die Niederlage, wenn du das letzte Mal ausatmest. Alles, was dazwischen liegt, ist für mich so wie das Kartenspiel für einen leidenschaftlichen Zocker: ein bisschen Können, ein wenig Intuition, etwas Glück, ab und zu schummeln. Er spielt, um zu überleben, doch weder Sieg noch Niederlage berühren ihn wirklich.«
    »Das hört sich ja schrecklich an. Das ist kein Leben, sondern ein Hospizaufenthalt!«
    »Ich kann es nicht ändern.«
    »Wenn du willst, kannst du es ändern.«
    Eine ältere, adrett gekleidete Dame, die neben Judith stand, schluchzte leise und tupfte sich mit einem Taschentuch die Augen.
    »Ja, das macht einen traurig«, sagte Judith.
    »Ach, wissen Sie, ich bin hier in Sülz geboren und mit diesem Theater groß geworden.«
    Die Frau schien froh zu sein, einen Gesprächspartner gefunden zu haben.
    »Schon als junges Mädchen habe ich mir jedes Stück angeschaut. Ich wollte Schauspielerin werden, doch meine Eltern haben mir das verboten, also bin ich Grundschullehrerin geworden und seit einem Jahr in Rente. Seit 1962 habe ich an diesem Theater keine einzige Inszenierung verpasst. Ich habe alle Programmhefte und Plakate gesammelt. Die beste Zeit war in den Siebzigern. Da haben sie Böll gespielt, ›Die verlorene Ehre der Katharina

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