Gleich bist du tot
Shepherd hat sich gleichsam selbst auf Bradys Radar gesetzt?«
»Genau, alter Junge.«
Jacobson sah, dass Emma Smith etwas für sie zu haben schien. Sie hielt einen der Berichte in der Hand und wartete darauf, dass sie in ihrer Unterhaltung eine Pause einlegten.
»Tut mir leid, wenn ich Sie unterbreche, Chef«, sagte sie. »Aber ich denke, das hier sollten Sie sich unbedingt ansehen.«
Dave hatte es ernst gemeint mit dem Transporter, hatte ihn sogar zum Haus von Traceys Mutter gebracht und Casper persönlich den Schlüssel in die Hand gedrückt. Sie waren allerdings erst nach elf losgekommen. Tracey hatte erst noch baden wollen, hatte ihr Haar noch mal gewaschen und dann noch einen Tee und eine Zigarette gewollt. Casper drängte sie nicht, er bewegte sich in ihrer Gegenwart nach wie vor wie auf Eierschalen. Sie schien keine genaue Vorstellung davon zu haben, wohin sie wollte und was sie wollte. Also fuhr Casper raus nach Crowcross. Da war nicht viel los, und es lag verdammt noch mal am Arsch der Welt. Man konnte es kaum ein Dorf nennen: ein paar altmodische Häuser, eine Bushaltestelle, einer dieser versnobten Pubs voller hochnäsiger Landeier und eine Minitankstelle mit Laden, der nur geöffnet hatte, solange es hell war. Aber wegen dieser Scheiße fuhr er nicht hin. Die Sache mit Crowcross war, dass es direkt am Fluss lag, und wenn man im Ort rechts abbog, kam man auf einen Parkplatz bei einem alten, verlassenen Steg.
Als Casper noch klein gewesen war, hatte sein Dad ihn öfter hergebracht. Bevor er sich mit seiner Mum zerstritten und irgendwo Richtung Norden davongemacht hatte (Manchester war das Letzte, was Casper gehört hatte). Dadurch war das hier etwas, das Casper an ihn erinnerte. Sandwiches hatten sie sich gemacht, und sein Dad hatte ein paar Bier und sein Angelzeug mitgebracht. Parken tat man in Crowcross und lief dann ein paar Kilometer am Fluss entlang. An den meisten Stellen gehörten die Fischrechte irgendeinem Privatbonzen, oder man musste sich eine Scheißtageslizenz besorgen. Aber Casper hielt die Augen offen, falls einer von den Lizenz-Nazis auftauchte, während sein Dad fischte. Später aßen sie ihr Picknick, und Casper ließ Steine übers Wasser plitschen, zählte, wie oft sie in die Luft sprangen, und versuchte seinen eigenen Rekord zu schlagen.
Er wusste nicht, was Tracey von der Idee herzukommen halten würde, aber bisher hatte sie sich nicht beklagt. Weil der Transporter von einem Kumpel geliehen war, steckte Casper ein Pfund in den Parkautomaten und legte die Quittung hinter die Windschutzscheibe. Er sagte, es gebe da einen Wald und Felder, wenn sie nur weit genug liefen. Friedlich sei es. Endlich mal frische Luft.
Es war einer jener Herbsttage, an denen sich die Wolken verzogen, der Wind nachließ und eine herrliche Sonne herauskam. Nach ein, zwei Kilometern zog Casper seine Fleecejacke aus und band sie sich mit den Ärmeln um die Hüften. Ein altes Ehepaar kam ihnen entgegen, die beiden gingen zurück Richtung Crowcross. Der Alte trug einen tuntigen Strohhut auf dem alten, kahlen Kopf, lächelte misstrauisch zu ihnen hin und tippte sich doch tatsächlich mit dem Finger an den Hut, wie in einem alten Film.
»Schöner Tag für ’n Spaziergang«, sagte er, und Casper nickte, höflich wie nur was:
»Yeah, klar doch, Kumpel.« Das war zu witzig, wirklich zu witzig.
Sie kamen an einem Feld mit Kühen vorbei und dann an einem mit Schafen: mit fetten Lämmern, die im Frühjahr zur Welt gekommen waren. Tracey lehnte ewig lange am Zaun und sah ihnen zu.
»Man könnte glauben, du hättest noch nie ’n Schaf gesehen, Tracey«, sagte er, und sie sagte, das habe sie auch nicht, auf jeden Fall nicht so viele.
»Woodlands und Crowby, Casper, was verdammt kriegen wir sonst schon zu sehen?«
Er fing wieder von Jobs an zu reden, und dass er was anfangen wolle, den Arsch zusammenkneifen. Natürlich hatte sie mit Daves Ersatzteilladen recht gehabt. Da würden sie ihn nicht mal mit der Beißzange anfassen. Aber es gab auch andere Möglichkeiten, gutes Geld zu verdienen. Auf dem Bau zum Beispiel, erklärte er ihr. Ihm sei es ernst damit, er werde schon was finden.
Wenn man immer weiter ging, wurde die Crow breiter und tiefer, und schließlich kam man an ein Wehr. Damals, zusammen mit seinem Vater, hatte Casper sich das herabstürzende Wasser stundenlang angucken können. Manchmal hatte er sogar davon geträumt, und in seinen Träumen konnte er schwimmen wie ein Fisch, der sich geschickt
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