Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gleichbleibend Schoen

Gleichbleibend Schoen

Titel: Gleichbleibend Schoen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Hodgman
Vom Netzwerk:
umfallen würde. Vor allem, wenn er gerade ein Kleid trüge. Ben schien die Vorstellung zu gefallen. » Und wenn ich hinfahre und vor ihrem Haus parke?«, schlug er vor. » Ich könnte sie einfach nur beobachten, dann denkt sie, ich sei ein Handelsvertreter, der gerade Pause macht.« Aber ich traute ihm nicht. Ich sah ihn in wilder Raserei aus dem Auto springen und grauenvolle Dinge auf ihrem Rasen tun – Dinge, die Vandalen auf den Altarstufen von Kirchen taten. Ein Teil von mir fand die Vorstellung köstlich, doch mein Alltagsich sah nur den Ärger, den mir das einbringen würde. Ich redete es ihm weiter aus.
    Wenn uns der Gesprächsstoff ausging, sah ich mir seine Bilder an. Es gab immer mehrere Werke in verschiedenen Stadien der Fertigstellung, außerdem ganze Stapel von Zeichnungen. Auf einem großen Gemälde, an dem er gerade arbeitete, war mein Kopf zu sehen – ein sehr großer Kopf mit schmalen, aufmerksamen Augen hinter der gesprungenen, pinkfarbenen Sonnenbrille, die ich meistens trug. Um meinen Kopf herum Orgienszenen, nackte Männer, Frauen, Kinder und Tiere, die sich auf alle möglichen und unmöglichen Arten vergnügten. Das fröhliche Treiben spielte sich unter meinem kalten, distanzierten und möglicherweise kritischen Blick ab. Ich erkannte Szenen aus unseren Verkleidungsspielen wieder. Und unten in einer Ecke mähte eine winzig kleine Frau mittleren Alters ihren Rasen.
    Als unsere Langeweile ihren Höhepunkt erreichte, kam seine Familie nach Hause. Gloria und ich ließen Vater und Sohn allein zurück und brachen zu einem Hotel in der nächsten Stadt auf, holperten in Staubwolken gehüllt über unmöglich schmale Straßen und wichen schlingernd den schlimmsten Schlaglöchern aus.
    » Auf und ab im kleinen roten Wagen«, sang sie fröhlich. » Auf und ab im rostigen blauen Wagen«, lachte sie, die eine Hand am Steuer, die andere hektisch nach einem schillernden, gefährlich aussehenden Fluginsekt schlagend, das ins Auto gesaugt worden war.
    Ich ließ meine Hand aus dem Fenster hängen. Die Luft war schwer wie Wasser.
    » Wie war’s in der Schule?«, fragte ich höflich. Ein Versuch, Konversation zu machen.
    » Ganz gut. Wie immer. Reden wir über etwas anderes. Wie geht es deiner Kleinfamilie?«
    » Ganz gut. Wie immer. Reden wir über etwas anderes.«
    *
    Gloria kannte James nicht besonders gut. Während unserer kurzen, etwas unentschlossenen Liebesbeziehung war sie im Ausland gewesen. An die Adresse » Tasmania House, The Strand, London« hatte ich ihr einen Brief geschrieben, in dem ich von uns erzählte. Sie behauptete, ihn nicht erhalten zu haben. Ich hatte ihr den Inhalt wiedergegeben: Dass wir uns dauernd auf Partys über den Weg gelaufen waren, von denen wir uns zu langen Nachtspaziergängen abgesetzt hatten. James war der Erste gewesen, der mir das amerikanische Wahlsystem verständlich erklären konnte. Als wir eines schönen Abends im Mondlicht auf einem ramponierten Holzsteg saßen, fragte er mich, was ich gerade gemacht hätte, als Kennedy ermordet wurde. Einen verrückten Moment lang glaubte ich, er beschuldige mich. Doch dann redete er weiter und meinte, der Mord gehöre sicher zu den Dingen, bei denen wir uns, wann immer sie erwähnt wurden, genau erinnern konnten, was wir zu dem Zeitpunkt gemacht hatten.
    » Wie der Tag, an dem der Krieg ausbrach«, stimmte ich zu. » Meine Mutter hat mir erzählt, dass sie an dem Tag dreimal laut Hurra gerufen hat. Sie hatte nämlich vor, ein falsches Alter anzugeben und von zu Hause wegzulaufen, um sich zur freiwilligen Kriegsarbeit bei der Women’s Land Army zu melden.«
    James wirkte verblüfft, ließ sich aber nicht beirren. Er wollte wirklich wissen, was ich damals gemacht hatte. Ich sagte, dass ich mich nicht erinnern könne, demnach hätte ich vermutlich geschlafen. Erleichtert stellte ich fest, dass ich ihn mit dieser undramatischen Auskunft nicht vergrault hatte. James interessierte sich wirklich sehr für Amerika.
    Im Laufe unserer Unterhaltungen begann ich ihn wahnsinnig zu begehren. Ich versuchte wirklich alles, um ihn rumzukriegen. Eines Abends gab er meinem lächerlichen Drängen endlich nach. Es passierte in der letzten Reihe des Drive-In-Kinos, einem beliebten Ort für solche Aktivitäten, auf dem Rücksitz des Autos seiner Mutter. Sie zeigten Alfie. Michael Caine flimmerte blass über die vor den Himmel gespannte Leinwand, während James wild herumzappelte, um seine Füße freizubekommen, die sich im Lautsprecherkabel verheddert

Weitere Kostenlose Bücher