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Gleichbleibend Schoen

Gleichbleibend Schoen

Titel: Gleichbleibend Schoen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Hodgman
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abzuholen. Doch so leise konnten meine Zehen gar nicht schleichen: Kaum hatte ich die oberste Stufe erklommen und meine nervösen Finger um die Fliegengittertür gelegt, schlug mir aus der Dunkelheit schon ihre Stimme entgegen. Die verdammte Tür quietschte.
    » Hattest du einen schönen Tag, Liebes?«
    » Ja, danke. Und du? War sie brav?«
    » Aber natürlich war sie brav, der kleine Schatz. Wir hatten es so nett miteinander. Am Nachmittag sind wir zum Strand gegangen. Ich gebe so schrecklich gerne mit meiner süßen Maus an.«
    » Na prima. Ich freue mich, dass alles gut geklappt hat.«
    » James ist vorbeigekommen. Er hatte Hunger, und ich glaube, der arme Junge hat sich ein bisschen einsam gefühlt. Er hat hier bei mir gegessen, und wir haben zusammen Fernsehen geschaut, das war schön für mich. Vor ein paar Stunden ist er gegangen. Wahrscheinlich macht er sich schon Sorgen, ob dir etwas passiert ist, Liebes.«
    » Das macht er absichtlich«, vertraute ich dem Baby auf dem Heimweg an. Sie schlief friedlich, genau wie ihr Vater – bis wir nach Hause kamen. Er wurde in dem Moment wach, als die zweite Fliegengittertür quietschte.
    » Wie die Mutter, so der Sohn«, sagte ich zum Baby. Sie lächelte süß im Schlaf. Ich schob sie in ihr Zimmer und ließ sie im Kinderwagen liegen, um sie beim Umbetten in den Stubenwagen nicht aufzuwecken. Sobald der Kinderwagen sich nicht mehr bewegte, fing sie an zu wimmern. Ich drehte sie auf den Bauch, küsste ihren flaumigen Hinterkopf und wollte auf Zehenspitzen aus dem Zimmer schleichen. Daddy stand schlaftrunken lächelnd in der Tür. Benommen und dunkelbraun verstrubbelt.
    » Ich muss die Fliegentür ölen«, sagte er. » Erinnere mich dran. Morgen will ich’s wirklich erledigen. Bei Mum könnte ich auch gleich vorbeischauen und ihre mit machen. Und den Scheißkinderwagen nehme ich mir auch vor.«
    » Gute Idee«, sagte ich. » Warum hast du Angelica heute Abend nicht mit heimgenommen, als du bei deiner Mutter warst?«
    » Weil ich wusste, dass du sowieso vorbeigehst. Oder hast du etwa damit gerechnet, dass ich sie abhole? Du weißt ja, dass ich das jederzeit machen würde. Kein Problem. Wirklich jederzeit, du musst nur fragen.«
    Er trat zur Seite, sodass ich an ihm vorbei aus Angelicas Zimmer gehen konnte. Er war groß und weich, und dann all dieses glänzende braune Haar. Seine Augen und der Mund nahmen das ganze Gesicht ein; für ästhetisch ausgewogene Proportionen waren beide zu groß.
    Etwas auf dem Fußboden schien ihn zu faszinieren. » Deine Füße sind schmutzig«, flüsterte er.
    Ich duschte. Und dann ab ins Bett.
    *
    Als James wieder schlief, rollte ich mich weg und stand auf. Die Chance, babylos an den Strand zu gehen, konnte ich mir nicht entgehen lassen. Vater, Mutter, Kind schlummernd unter einem Dach, das war eine Person zu viel: Sicherheit gibt es nur zu zweit.
    Als ich mich dem höchsten Punkt der Straße näherte, sah ich, dass der Himmel auf der anderen Seite merkwürdig orange war, wie eine von hinten beleuchtete Kulisse. Anscheinend würde es gleich eine Vorstellung geben: der Sonnenaufgang. Und ich war genau im richtigen Moment zum Strand gekommen, um ihn zu sehen. Ich versuchte, ihn zu ignorieren. Sonnenaufgänge sind mir zu theatralisch, und dieser hier wirkte besonders inszeniert: kein Kitscheffekt wurde ausgelassen. Nachdem die Sonne sich durch den unsichtbaren Schlitz zwischen Meer und Himmel gequetscht hatte, leuchtete das Wasser kurz rot auf, als wäre es mit einem Film aus Nachgeburtsschleim überzogen. Später beruhigte sich das Licht ein wenig und wurde veilchenblau. See und Himmel schillerten zart wie das Innere einer feuchten Austernschale. Die Luft war frisch und sauber wie ein Zahnpastamund. Ein neuer Anfang.
    Oben auf der mageren, zum Strand abfallenden Wiese hatte jemand eine Schaukel aufgestellt, eines dieser behördengrünen Eisengestelle mit blitzenden neuen Ketten und einem schlichten Holzsitz. So solide und offiziell, dass sie nur eine Anschaffung der Gemeinde sein konnte. Ich starrte sie an und bekam Kopfschmerzen, ein leichtes Stechen hinter jedem Ohr: Wut und Schuldgefühle. » Einen Tag lasse ich dich aus den Augen, und was passiert?«, schrie ich den Strand an. » Was passiert?« Meine Stimme überschlug sich, wurde schriller und schrecklicher, eilte in beide Richtungen davon und prallte in stereofoner Raserei von den Felsen an den Strandenden zurück. Das Geräusch schlug in der Mitte meines Kopfes zusammen, der Schmerz

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