Gleichklang der Herzen
hatte bereits angekündigt, dass er sich in einem Jahr zur Ruhe setzen wollte. Es war sehr wahrscheinlich, dass er dem König den Marquis als seinen Nachfolger vorschlagen würde.
Als Gouverneur und Vertreter des Königs in dieser Grafschaft würde der Marquis seiner Majestät offiziell vorgestellt werden. Und da war es sehr wichtig, dass auch seine Frau bei Hof den besten Eindruck machte.
Mister Barnham war sich dessen sehr wohl bewusst. In den letzten Jahren hatte ihn verschiedentlich der Gedanke beunruhigt, dass der Marquis unbedingt eine Frau wählen müsste, die eine solche Stellung in der Gesellschaft auch tatsächlich ausfüllen könnte.
Das war in der Lebewelt von London, die sich um den Prinzen von Wales scharte, nicht so wichtig. Doch in der Grafschaft legte man Wert auf Anstand und Würde.
Der Marquis sprach seine Befürchtungen nicht laut aus. Doch Mister Barnham ahnte seine Bedenken, und er versicherte ihm, dass Romana alles tun würde, was man von ihr erwartete.
Doch war Mister Barnham nicht entgangen, dass der Lord am nächsten Morgen ungewöhnlich nervös war.
Nun blickte der Marquis über die festlich geschmückte Tafel hinweg, auf das reich mit Gold verzierte Sevrès-Porzellan und die großen Schüsseln mit goldfarbenen Pfirsichen und dunkelblauen Trauben aus den Gewächshäusern von Schloss Sarne. Jedoch schien der Marquis das alles nicht in sich aufzunehmen. Sein Blick ruhte auf Romana, die sich mit dem Lord Oberrichter unterhielt. Worüber mochten die beiden miteinander sprechen?
Der alte Herr war eine sehr würdevolle Erscheinung, und er sah für sein Alter noch sehr gut aus. Er hielt den Kopf geneigt und hörte Romana aufmerksam zu. Es entging dem Marquis nicht, dass der Lord Oberrichter sich mit keinem Wort an den Geistlichen wandte, der auf der anderen Seite neben ihm saß.
Die Tischgesellschaft bestand mit Ausnahme von Romana und Lady Lovell nur aus Herren.
Lord Lovell saß zu Romanas Linken, und der Marquis fand, dass sie sich im Gespräch auch an ihn wenden, oder ihn zumindest in ihre Unterhaltung mit dem Lord Oberrichter einbeziehen müsste.
Er hatte plötzlich das schreckliche Gefühl, dass sie den alten Herrn ins Vertrauen zog und ihn fragte, ob es nicht möglich wäre, ihre unter so unglücklichen Umständen vollzogene Ehe zu lösen.
Dann aber beruhigte er sich damit, dass sie nichts derartig Hinterhältiges oder Skandalöses tun würde. Und doch fühlte er sich nicht ganz sicher. Worüber konnten sie sich denn so angeregt unterhalten? Es fiel dem Marquis sehr schwer, sich wieder auf seine Tischnachbarin, Lady Lovell, zu konzentrieren.
„Schon so lange hatten wir uns gewünscht, dass Sie heiraten, Vallient“, meinte sie gerade. „Schließlich ist es nicht nur für Sie wichtig, eine Frau zu haben. Es bedeutet auch für Sarne und für die ganze Grafschaft sehr viel.“
Sie wartete auf die Zustimmung des Marquis, die jedoch ausblieb.
„Sobald Ihre Flitterwochen vorbei sind, werde ich herüberkommen und mit Ihrer Gattin sprechen. Vielleicht kann ich sie dazu überreden, dass sie mir bei einigen Wohltätigkeitsorganisationen hilft. Wir brauchen so dringend frisches Blut und neue Ideen.“
Sie schwieg und blickte zu Romana hinüber, die noch immer angeregt mit dem Lord Oberrichter sprach. Dann meinte sie: „Wie würde sich Ihre liebe Frau Mutter freuen, wenn sie wüsste, dass Sie verheiratet sind, und zwar nicht mit einer dieser leichtfertigen, modischen jungen Damen aus London, von denen wir die haarsträubendsten Geschichten gehört haben.“
Der Marquis fand, dass Lady Lovell etwas zu weit ging. Sie sprach in einer Art mit ihm, die er sonst nicht bei einer Dame toleriert hätte, die noch nicht alt genug war, um seine Mutter sein zu können.
„Sie sollten nicht alles glauben, was Sie zu hören bekommen“, meinte er spöttisch.
„Das versuche ich auch“, erwiderte sie lächelnd. „Und natürlich weiß ich auch, dass man über Sie, lieber Vallient, gern klatscht. Sie sind so attraktiv und mit allen Gütern dieser Erde gesegnet, dass es den Leuten unmöglich ist, nicht über Sie zu reden. Doch gleichzeitig …“
Sie brach plötzlich ab, so als sei ihr klar geworden, dass ihre Worte den Marquis unangenehm berührt haben könnten.
Stattdessen sagte sie: „Ich bin so glücklich über Ihre Heirat. Sie ist ein so ungewöhnlich reizendes Mädchen.“
Der Marquis musste daran denken, was Lady Lovell wohl sagen würde, wenn sie die Hintergründe dieser Heirat erfahren
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