Gleichklang der Herzen
würde, die ihn und das, wie sie es nannte, ,reizende Mädchen’ zusammengeführt hatten.
Allein die Tatsache, dass er besinnungslos im Haus einer Prostituierten gelegen hatte, würde wohl kaum Lady Lovells Vorstellungen vom Beginn einer Ehe entsprechen.
Er blickte über den Tisch zu Romana hinüber. Und plötzlich überfiel ihn wieder heftiger Zorn über Lord Kirkhamptons Rache.
Lady Lovell mochte sagen, dass man über ihn klatschte. Das war ihm nicht neu. Aber er hatte immer streng darauf geachtet, dass der gute Name seiner Familie nicht in Verruf geriet.
Er war immer sehr vorsichtig gewesen, wenn er sich auf dem Land aufhielt, und er hatte seine gewagteren Londoner Freunde nie nach Sarne eingeladen. Die Damen, die seine Jagdgesellschaften im Winter zierten oder auch im Frühling bei seinen Pferderennen anwesend waren, gehörten alle zur guten Gesellschaft.
So war es ihm einfach nicht möglich, in Romana das unschuldige Mädchen zu sehen, das zu sein sie vorgab.
Der Blick des Marquis ging wieder zu Romana hinüber. Er überlegte, ob sie jetzt mit dem Lord Oberrichter vielleicht über Rennen und Pferde sprach. Aber das schien ihm doch recht unwahrscheinlich.
Er konnte sich nicht erinnern, dass Seine Lordschaft jemals irgendein Interesse für diesen königlichen Sport gezeigt hatte. Im Gegenteil, bei seinen letzten Besuchen war er sogar recht einsilbig gewesen, sofern sich die Gespräche nicht gerade um irgendeinen Rechtsfall gedreht hatten.
Romana und der Lord Oberrichter plauderten noch immer miteinander. Der Marquis spürte, wie sein Ärger wuchs.
Er war nun ganz sicher, dass sie indiskret gewesen sein musste. Deshalb überlegte er, wie er verhindern konnte, dass sie noch mehr verriet. Doch sah er sich dazu außer Stande, denn was immer er jetzt unternahm – es würde Aufsehen erregen.
„Sobald Sie Ihre Flitterwochen beendet haben, Vallient“, hörte er Lady Lovell neben sich sagen, „werde ich eine Gesellschaft geben, um Ihre Gattin den Nachbarn vorzustellen. Sie können sich denken, wie gespannt sie alle sind! Um ehrlich zu sein, Ihre Hochzeit war für uns alle eine Überraschung. Warum mussten Sie auch so überstürzt heiraten, sodass niemand von uns Gelegenheit hatte, ein Geschenk zu schicken?“
„Wie Sie in der ,Gazette’ gelesen haben, hatte meine Frau einen Trauerfall“, antwortete der Marquis, weil er wusste, dass sie auf eine Antwort drängen würde.
„Ja, das habe ich wohl gelesen, aber es fehlten nähere An-gaben. Starb ihr Vater oder ihre Mutter?“
„Ihr Vater.“
„Und wer war ihr Vater?“
Der Marquis musste plötzlich feststellen, dass weder er noch Mister Barnham daran gedacht hatten, dass man sich auf solche Fragen hätte vorbereiten müssen.
„Sein Name war Wardell“, erklärte er.
„Das weiß ich!“, erwiderte Lady Lovell beinahe tadelnd. „Erzählen Sie mir mehr von ihm. Wo hat er gewohnt? Mein Mann sagte, dass er einige Wardells kannte, die in Leicestershire wohnten.“
„Romanas Eltern lebten in Northumberland“, erwiderte der Marquis.
Und während er diese Auskunft gab, musste er feststellen, dass das eigentlich schon alles war, was er von Romana wusste. Er ärgerte sich über sich selbst und über Mister Barnham, weil sie nicht mehr Einzelheiten eingeplant hatten.
Er konnte sich vorstellen, dass Lady Lovell über ihre offenen Fragen mit vielen anderen Damen der Umgebung sprechen würde. Es schien unbegreiflich, dass er, der Marquis von Sarne, ein völlig unbekanntes Mädchen geheiratet hatte. Daher war er sofort entschlossen, mit Mister Barnham zusammen eine Familienchronik zu entwerfen, die seine Heirat mit Romana aus gesellschaftlicher Sicht standesgemaß machen würde.
Ich kann wohl kaum die Wahrheit erzählen, dachte er bitter. Und wieder sah er Romana vor sich, so wie er sie zum ersten Mal gesehen hatte: auf der Erde liegend, mit einem glühend roten Mal auf der Wange, das von Lord Kirkhampton stammte …
Mit Erleichterung stellte er fest, dass sich das Essen dem Ende näherte. Er hoffte, dass Romana es auch bemerken würde, um sich zu erheben.
„Verdammt“, knurrte er zwischen den Zähnen, „sie weiß sich nicht einmal richtig zu benehmen.“
„Und wie hieß doch gleich die Mutter Ihrer Gattin mit ihrem Mädchennamen?“, hörte er Lady Lovell fragen.
In diesem Moment erhob sich Romana. Dabei wandte sie sich noch einmal kurz an den Lord Oberrichter. Dann blickte sie zu Lady Lovell hinüber, die ebenfalls aufstand.
„Schon gut“,
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