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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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hatte dem Jungen beschützend den Arm um die Schultern gelegt.
    Landwirt Cittersen van Boven und Sohn Waling eilten den Ü berlebenden der verunglückten Tupolew zu Hilfe lautete die Bildunterschrift.
    »Ursache des Absturzes war höchstwahrscheinlich ein Defekt der Querruder«, fuhr Johan fort, aber Gieles hörte ihm nicht mehr zu. Sein dicker neuer Freund war ein Held! Vielleicht gehörte er nicht in die gleiche Klasse wie Captain Sully, aber mit Moullec konnte er sich bestimmt messen. Oder mit Ellen.
    »Wie viele Passagiere haben sie gerettet?«, fragte er. Er wollte unbedingt mehr erfahren, der säuerliche Geruch störte ihn nicht mehr, auch nicht die weißlichen Speichelbläschen in Johans Mundwinkeln.
    »Vierzig.«
    »Vierzig?«, rief Gieles begeistert. Er empfand unbeschreiblichen Stolz. Als er seine Überraschung halbwegs überwunden hatte, fragte er, wie es mit dem Bauern und seinem Sohn weitergegangen war.
    »So weit verfolge ich die Geschichten nicht«, antwortete Johan nüchtern. »Mir geht es mehr um den jeweiligen Flugzeugtyp und um den Hergang des Unglücks. Diese Aspekte interessieren mich, weniger das Menschliche, wie viele Tote und Überlebende es gab. Das ist für mich zweitrangig. Wie gesagt, die Aufzeichnungen des Flugschreibers waren nicht verwertbar. Wusstest du, dass diese Black Box, wie sie oft genannt wird, in Wirklichkeit nie schwarz, sondern orange ist?«
    Im hinteren Teil des Raumschiffs wurde der Vorhang zur Seite gezogen. Johans Frau saß im Nachthemd auf dem Bett. »Guten Morgen«, murmelte sie. Ihr Mund war eingefallen. »Schön, dass du uns besuchst.«
    »Du störst.« Johan klang verärgert. »Schlaf bitte noch ein bisschen.«
    »Ich muss jetzt wirklich weg«, sagte Gieles. Dies war eine gute Gelegenheit.
    Auf dem Hof waren alle wach. Sogar Meike hatte sich schon angezogen. Sie saß in einem engen Lackkleid auf dem Bettrand und grub in ihrem Sargkoffer. Ihre Brüste, der untere Teil des Brustkorbs und der Bauch waren so eingeschnürt, dass der Anblick bei Gieles fast Atemnot verursachte. Sie zog ein riesiges schwarzes Samttuch aus dem Koffer und hängte es sich um die Schultern.
    »An dem Umhang ist auch ’ne Kapuze«, erklärte Meike und streifte sie sich über den Kopf. Sie war so weit, dass ohne weiteres noch zwei Köpfe hineingepasst hätten. Die Innenseite war rosa.
    »Ist das nicht zu warm?«, fragte Gieles. Den Umhang fand er genauso hässlich wie die Gewänder, die seine Mutter jetzt trug.
    »Schwarze Sachen schützen gegen Hitze.« Sie breitete die Arme aus und bewegte sie langsam auf und ab. Dabei sah sie Gieles durchdringend an. Das konnte sie sehr gut. Jedes Mal, wenn sie das tat, musste er nach ein paar Sekunden wegschauen, weil er ihrem Blick nicht standhielt.
    »Wüstenbewohner tragen auch Schwarz«, sagte sie und schob ihre Blasenfüße in die Plateauschuhe.
    Heute war der Tag, an dem sie zum ersten Mal Super Waling begegnete. Gieles wusste, dass Waling ihr gefallen würde. Sie hatte eine Vorliebe für Unnormales. Deshalb mochte sie auch die aggressive Gans. Er hatte ihr nicht gesagt, dass die Gans bald vom Geflügelhändler abgeholt wurde. Aber er hätte jetzt gern ein bisschen mit Super Waling angegeben. Dem großen Helden. Er konnte es selbst noch kaum fassen. Waling war damals so alt gewesen wie er jetzt. Wenn Gieles vierzig Menschen aus einem abgestürzten Flugzeug gerettet hätte, würde sein Leben ganz anders sein. Seine Mutter würde nie mehr weggehen. Es war eine Tatsache, dass alle Menschen ihren Helden nahe sein wollten. Das konnte man bei Captain Sully und bei Jan-Ove Waldner beobachten. Die waren immer von Fans umgeben. Wenn Gielesvierzig Passagiere gerettet hätte, dann hätte er Meike längst geküsst. Auch das stand fest.
    Sein Vater hupte. Sie mussten sich beeilen.
    Willem schaute durchs geöffnete Seitenfenster und ließ sich nichts anmerken, als er Meike in ihrem langen schwarzen Umhang aus dem Haus schwanken sah. Sein Gesichtsausdruck war genauso neutral wie im Rathaus nach der turbulenten Pyramidenpräsentation, als er Super Waling die Hand gegeben hatte. Auf der Rückfahrt hatte er Waling mit keinem Wort erwähnt.
    Gieles und Meike saßen mit Wallie hinten, Onkel Fred neben seinem Bruder. Er sprach lebhaft über die Gegend, durch die sie fuhren. Es war ein schöner Tag, der Himmel war klar. Das konnte Gieles von seinem Kopf nicht behaupten. Es gab zu vieles, das ihn verwirrte.
    Auf dem Gelände beim Dampfpumpwerk sah es so aus, als wäre die

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