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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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hinein seinen Abschiedsgruß und verließ fluchtartig das Haus. Es war zwei Uhr nachmittags. Dolly arbeitete, auch die Jungen waren jetzt nicht zu Hause. Er schob Super Walings Lebensgeschichte durch den rostigen Briefkastenschlitz. Schweigegeld oder nicht: In seinen Augen blieb Super Waling ein Held.
    Die zweite Mission erfüllt. Zufrieden fuhr er nach Hause.
    Er setzte sich mit einem Biologiebuch unter den Kirschbaum, dort konnte man ihn vom Campingplatz aus nicht sehen. Wallie schlug neben ihrer Babybadewanne vorsichtig mit den Flügeln, aber Gieles schaute nicht hin. Er schloss die Augen, roch die Hitze, die Kerosinabgase und seinen eigenen Schweiß. Er dachte an Meikes Lippen und die Melonenpobacken von Raven Alexis. Meike und er standen unter dem Wasserfall in ihrem Wäldchen. Ihrem tropischen Urwald mit blauvioletten und orangefarbenen Vögeln. Meike legte sich herausfordernd auf das samtweiche Moos, breitete die Arme aus und spreizte ihre nassen Schenkel.

29
    Super Waling wurde sechsundvierzig. Er wollte seinen Geburtstag in sehr kleinem Kreis feiern, hatte er gesagt.
    Gieles legte mit etwas Gel seine Haare flach, zog ein frisches T-Shirt an und ging zur Scheune. An der Werkbank mit den Fuchsschwänzen stand sein Vater, über eine Holzkiste gebeugt.
    »Hallo, Papa«, sagte Gieles. Erschrocken fuhr Willem herum. In der Hand hatte er einen Schraubenzieher. Seine Augen waren stark gerötet.
    »Die Kiste ist noch nicht fertig.« Seine Stimme klang verschnupft.
    Gieles hatte ihn gebeten, ihm für seinen Gepäckträger eine Kiste zu bauen, in der er Wallie transportieren konnte. »Macht nichts.«
    Sein Vater schnäuzte sich die Nase.
    »Bist du irgendwie krank?«
    »Nein, nein. Alles in Ordnung.« Er streckte seinen langen Rücken und warf den Schraubenzieher in die Werkzeugkiste. Vor ein paar Tagen hatte Gieles ihn wieder durchs Telefon schreien hören. Diesmal ging es um spanische Ärzte.
    Gieles nahm sein Fahrrad. An der Tür zögerte er.
    »Viel Spaß heute Abend«, sagte sein Vater und versuchte, ein fröhliches Gesicht zu machen. »Ich habe übrigens mal die Schrauben von deinem Gepäckträger angezogen. Der saß ziemlich locker. Das ist lebensgefährlich, wenn jemand drauf mitfährt.«
    Dieser Jemand war Meike, wie sie beide wussten. Bisher hatte sich sein Vater nie an lockeren Gepäckträgern gestört.
    »Wooky, tausend Dank«, sagte Gieles und ging. Während der Fahrt kamen ihm Schuldgefühle, weil er seinen Vater so in der Scheune zurückgelassen hatte.
    »Eine Riesenscheiße, das Ganze«, sagte er zu niemandem im Besonderen.
    Nach einer Viertelstunde erreichte er Walings Haus. Die Tür war angelehnt. Super Waling stand in der Küche. In seinen Haaren klebte Reis, sein violetter Jogginganzug war voller Flecken.
    »Ich habe das Sushi verdorben«, erklärte er und sah sich in dem Chaos um. Gieles folgte seinem Blick. Überall lagen Reis und fransige Streifen Seetang. Die von Hand gedrehten Sushi-Rollen sahen aus wie tote Elstern. Unter Walings Basketballschuhen knirschte es, die Fliesen waren von einer Schicht ungekochter Reiskörner bedeckt, als hätte hier gerade eine Hochzeit stattgefunden.
    »Hast du schon mal Sushi gemacht?«
    Super Waling hob einen Müllsack vom Boden auf. »Nein. Aber für euch wollte ich eine gesunde und leckere Mahlzeit zubereiten. Und ich dachte, junge Leute essen nur noch Sushi.« Er ließ die schwarzen Rollen eine nach der anderen in den Müllsack fallen. Dann blickte er sich wieder um. Auch in seinem Dreitagebart klebte Reis.
    Ob schon Maden aus dem Gehackten kriechen?
    »O mein Gott. Gleich steht Meike vor der Tür. Sie wird mich für einen Messie halten.«
    Er schaute nachdenklich auf die Küchenwand mit den Lieferservice-Prospekten. »Worauf hättest du Lust? Shoarma, chinesisch, Pizza, Spareribs, Fritten, surinamisch? Ich fürchte, so besonders gesund wird es heute nicht.«
    »Spareribs«, antwortete Gieles. Auch unter seinen Schuhen knirschte es. Er hätte gern von dem Flugzeugunglück gesprochen, aber jetzt war kaum der richtige Moment. Super Waling war offensichtlich schwer im Stress. »Soll ich staubsaugen?«
    »Nein, Gieles. Du brauchst nicht mein Chaos zu beseitigen. Setz dich einfach schon mal hin. Ich bin bald fertig.«
    Das Wohnzimmer war tadellos in Ordnung. Es roch nach Reinigungsmitteln. Auf der Fensterbank stand eine Vase mit frischen roten Pfingstrosen, auf dem Couchtisch waren Fernbedienungen und Telefone ordentlich aufgereiht. Gieles setzte sich in den

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