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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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drückte auf eine Taste, ihr Körper begann zu vibrieren.
    Dolly erforschte weiter das Zimmer. Sie schaute in ein Vitrinenschränkchen mit Countrymusik-Souvenirs. Da gab es ein Feuerzeug mit einem Foto von Merle Haggard, einen Tammy-Wynette-Button, eine Zigarettendose, auf der THE MAN IN BLACK stand. Und eine signierte Willie-Nelson-Bandana.
    »He!«, rief Meike. »Das sind die Bilder von Walings Oma.«
    Dolly wandte den Blick nur kurz einem der fluoreszierenden Gemälde zu. »Die kenne ich«, sagte sie.
    »Geil, oder?«
    »Nein, ich finde sie scheußlich. Waling hat uns in einer Geschichtsstunde das Pumpwerk gezeigt, und ich mochte sie damals schon nicht.«
    »So, da bin ich endlich«, keuchte Waling. Er brachte ein Tablett, auf dem Dosen mit Cassis-Limonade und Longdrinkgläser gefährlich hin und her rutschten. Gieles nahm es ihm ab. Waling ließ sich schwer aufs Sofa fallen.
    »Fein, dass ihr da seid. Willkommen in meinem Raritätenkabinett.«
    Dolly stand jetzt neben dem Massagesessel und nahm ein Buch vom Stapel. »Wie ich sehe, hast du noch dieselben Leidenschaften wie früher«, sagte sie, während sie durch Dicke Männer schlank gekocht blätterte. »Pumpwerke, Berge, Countrymusik. Wahrscheinlich wanderst du aber nicht mehr.«
    »Nein, leider nicht«, sagte Waling schuldbewusst. »Wer möchte Cassis?«
    »Ich erinnere mich an ein Zeltlager auf einer der Nordseeinseln. War es Texel?«
    »Terschelling. Wir sind immer nach Terschelling gefahren.«
    »Meine Güte. Die ganze Zeit sind wir nur durch die Gegend gelaufen. Mir tat noch einen Monat lang alles weh.«
    Sie setzte sich auf das andere Sofa, Waling und Gieles gegenüber. »Du hattest immer eine Heidenangst, dass einer deiner Schüler verloren gehen könnte. Dauernd hast du uns gezählt.«
    »Ich habe manchmal noch Alpträume davon.«
    Sie klopfte sich lachend auf den Oberschenkel. »Erinnerst du dich an den Ausflug zum Keukenhof? Wie hinterher zwei alte Frauen am Tor standen, die vergessen worden waren? Ihr Reisebus war längst wieder auf dem Weg nach Maastricht.«
    »O ja«, sagte Super Waling. »Ich sehe sie noch vor mir, mit ihren Stöcken und langen Regenmänteln.«
    »Und sie taten dir so leid. Und der Mann am Ausgang sagtenur: ›Das passiert täglich, dass ein paar übrig bleiben. Die bringen wir in einem Hotel unter, und morgen werden sie abgeholt.‹«
    Sie schüttelte sich vor Lachen. Gieles konnte sich nicht erinnern, sie je so erlebt zu haben. So entspannt.
    »Und dann hast du die beiden in unserem Bus mitgenommen«, sagte sie und wischte eine Lachträne weg. »Und von der Schule aus hast du sie mit dem Auto selbst nach Maastricht gebracht.«
    »Das war vielleicht eine Fahrt«, erinnerte sich Waling. »Die eine hat die ganze Zeit geweint, und die andere war inkontinent, schon bei Utrecht hat sie die Rückbank nass gemacht.«
    »Boah«, sagte Meike, die jetzt ihre Beine massieren ließ. »Hast du sie rausgeworfen?«
    »Um Himmels willen, nein, die Ärmste. Sie war völlig verwirrt. Anscheinend hielt sie mich für ihren Vater, sie nannte mich dauernd Papi.« Er schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß noch«, fuhr Dolly mit sanfter Stimme fort, »wie unglaublich lieb ich das fand. Extra diese weite Strecke zu fahren.«
    »Ach, das war doch eine Kleinigkeit.«
    »Nein, Waling, das war keine Kleinigkeit. In meinen Augen war das selbstlos. Aber damit«, sie warf Dicke Männer schlank gekocht auf den Couchtisch, »kommst du nicht weit. ›Dick‹ ist in deinem Fall wirklich untertrieben.«
    »So was sagt man doch nicht!«, rief Meike. »Das ist Blödsinn! Man braucht viel Selbstvertrauen, um so auszusehen wie Waling.«
    »Ja, red du nur.« Dolly holte einen Prospekt aus ihrer Handtasche.
    Meike schaute Waling mütterlich an. »Nimm’s nicht persönlich. Sie ist superschlecht drauf. Die Pyramiden werden nicht gebaut, und jetzt kann sie doch nicht umziehen.«
    Gieles fuhr erschrocken auf.
    »Das tut mir aber leid für dich«, sagte Super Waling, doch es klang eher erleichtert.
    »Wieso werden sie denn nicht gebaut?«
    »Zu teuer«, antwortete sie. Man hörte die unterdrückte Wut. »Die Flughafenleute sind so unglaubliche Arschlöcher. Aber davon wollte ich jetzt nicht reden. Sondern von dir, Waling.«
    Gieles und Super Waling tauschten einen Blick.
    »Ein Magenband wäre in deinem Fall das wirksamste Mittel«, fuhr sie fort, immer noch etwas gereizt. »Diese Klinik hier macht das ausgezeichnet. Eine Kundin von mir ist dadurch siebzig Kilo

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