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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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bisschen auf das vorbereiten, was sie an der Piste erwartete, aber es war weit und breit kein Auto zu sehen. Langsam entspannten sie sich und wackelten durchs Gras. Er konzentriertesich auf die Geräusche ringsum. Wenn gerade kein Flugzeug startete, war es ländlich still.
    Er hörte die Schritte seiner Gänse im Gras und das Summen einer Biene. Er hörte das Rascheln des Pappellaubs und Entengequake. Er spürte, wie er ruhiger wurde. Doch plötzlich blickten die Gänse wieder nach oben und begannen zu rufen. Sie suchten angestrengt den Himmel ab. Gar nicht ängstlich, eher neugierig.
    Hinter einer Baumreihe erschien ein kleiner Gänseschwarm wie eine Rauchwolke am Himmel. Es waren Saatgänse, er erkannte sie an der dunklen Farbe. Saatgänse sah man hier selten. Sie hörten sich auch anders an als Graugänse. Ihr Ruf klang tief und rau, fast wie der Husten von alten Männern. Als sie über ihn hinwegflogen, hörte er auch das Geräusch ihrer Flügelschläge, das an rostige Scharniere erinnerte. Wieder husteten sie ihren Kontaktruf. Seine Gänse beantworteten ihn mit einem hohen, lauten Schnattern.
    Zusammen blickten sie den Saatgänsen nach. Es waren nur neun. Er sah sie hinter dem leerstehenden Maschinenschuppen verschwinden. Wahrscheinlich landeten sie auf der Kuhweide und zogen bald weiter.
    In größerer Entfernung näherte sich ein Auto. Er stand auf und schätzte die verbleibende Zeit. Wenn er die Gänse jetzt auf die Straße manövrierte, konnte er noch ungesehen zum Radweg zurück. Schnell lockte er sie mit dem Plastikbeutel zur Straßenmitte und kippte den größten Teil der Kugeln genau auf die weiße Linie. Dann rannte er zu einer der Pappeln am Straßenrand und versteckte sich dahinter, den Schirm im Anschlag.
    Es schien ein Jahr zu dauern, bis der Wagen endlich kam. Eine alte weiße Klapperkiste, die höchstens fünfzig fuhr, obwohl man hier achtzig fahren durfte. Onkel Fred war früher auf der Autobahn immer zu langsam gefahren. Nach vierzehn Strafzetteln hatte er vom Autofahren ein für alle Mal die Nase voll.
    Die Gänse schlangen die Kugeln in sich hinein, sie nahmen nichts anderes wahr. Also ließen sie sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Ein Grund zur Hoffnung.
    Als das Auto noch etwa zehn Meter entfernt war, klappte er den Schirm auf. Jetzt würden die Gänse auffliegen, wie bei den Übungen. Aber sie taten es nicht. Der Wagen hupte, es klang rau und hustend wie der Ruf der Saatgänse. Sie reagierten immer noch nicht. Im allerletzten Moment wich ihnen der Fahrer aus, indem er das Steuer nach rechts herumriss. Das Auto knallte gegen einen Baum.
    Gieles stand hinter der übernächsten Pappel. Von dort aus versuchte er in den Wagen zu schauen. Er sah einen bärtigen Mann am Steuer, der sich nicht bewegte.
    Er ist tot.
    Der Schreck lähmte ihn. Das ist nur deine Schuld, du hast ihn auf dem Gewissen, schrie eine Stimme in seinem Inneren. Im gleichen Augenblick stieg der Fahrer aus. Jetzt sah Gieles, dass der Mann gar keinen Bart hatte, sein Mund und Kinn waren von Blut aus seiner Nase verschmiert. Mit dem Ärmel seines weißen Overalls versuchte er, die Blutung zum Stillstand zu bringen. Ängstlich ging Gieles auf ihn zu.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er heiser. Er schien die Stimme verloren zu haben. Die Gänse hielten sich hinter ihm, als suchten sie Deckung.
    Der Mann sagte nichts. Er stand nur da und drückte sich den Arm auf die Nase. Gieles konnte es nicht mit ansehen, er wandte sich ab und betrachtete den Wagen, der eine große Beule in der Motorhaube hatte. DACIA las er, diese Marke kannte er nicht.
    Der Mann löste den Arm von der Nase und schaute auf den Fleck an seinem Ärmel. Die Blutung hatte aufgehört. Dann ging er um das Auto herum, er musterte es wie ein Gebrauchtwagenhändler. Es war ihm nicht anzumerken, ob er wütend war. Unsicher folgte ihm Gieles, die Gänse watschelten hinterher.Der Mann sah nicht aus wie jemand von hier. Er hatte dichtes, schwarzes, leicht krauses Haar und blasse Haut. Sein Gesicht und seine Gestalt wirkten so eckig und grob wie die Blechschachtel vor dem Baum. Der Mann trat gegen einen Reifen und öffnete eine der hinteren Türen. Farbdosen kullerten ins Gras. Ein penetranter Geruch drang aus dem Wagen.
    »Soll ich Ihnen helfen?«, fragte Gieles, aber der Mann sprach immer noch kein Wort.
    Er las die Dosen auf und stellte sie in die Kisten, die auf der Rückbank standen. Aus einer dieser Kisten nahm er einen schmuddeligen Lappen, tränkte ihn mit ein

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