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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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Trainingsjacke war hochgerutscht, die Hose ein Stück abwärts, viele Kilos Gesäßfleisch waren entblößt.
    »Bist du gläubig?«, fragte Super Waling.
    »Nein. Ich glaube nicht.« Gieles setzte sich auf eine Stufe und legte Super Walings Leinentasche auf die Oberschenkel.
    »Ich auch nicht. Nicht mehr. Früher ja … bevor das ganze Elend begann … Ach, was schwafle ich da … Mir ist nur plötzlich ein Kirchenlied eingefallen. Aus tiefer Not schrei ich zu dir, Herr Gott, erhör mein Rufen … das ist doch witzig. Den Rest weiß ich gar nicht mehr.«
    Gieles blickte ihn ängstlich an. »Du bist doch nicht schwer verletzt?«
    »Ach was. Nichts Schlimmes passiert. Der Arm tut ein bisschen weh, das ist aber auch alles.«
    Der Arm hing seltsam verdreht zwischen den Stäben, sah Gieles, und auf der Hand bildeten sich Flecken.
    »Bevor ich es vergesse«, Super Waling versuchte ein fröhliches Gesicht zu machen, »in meiner Tasche ist der zweite Teil von Ide und Sophia.«
    Gieles öffnete die Tasche. Limonadendosen, ein roter Hefter mit bedruckten Blättern, außerdem zwei Ferngläser.
    »So hast du was zu lesen, um die Zeit totzuschlagen«, scherzte Super Waling mit schmerzverzerrtem Gesicht.
    In der Nähe wurde eine Tür geöffnet, gleich darauf hörten sie Stimmengewirr. »Die Hochzeitsgesellschaft«, sagte Super Waling hoffnungsvoll.
    »Am besten rufen wir.«
    »Hallo, hören Sie mich?«, fragte Super Waling kraftlos.
    Nun begann Gieles zu rufen. Immer lauter. Beim fünften Mal brüllte er: » HILFE! HILFE! HELFEN SIE UNS DOCH, VERDAMMT NOCH MAL! « In Gegenwart von Erwachsenen fluchte er sonst nie, aber dies war ein Notfall.
    Es wirkte. Ein paar Hochzeitsgäste kamen zum Turm des Pumpwerks, aber sie machten nicht den Eindruck, als wollten sie Super Waling aus seiner bedrängten Lage befreien.
    »Was ist denn hier los?«, hörte Gieles jemanden fragen.
    »Ist das dein Vater?«, fragte eine Frau in einem kobaltblauen Kleid. Sie sah wunderschön aus.
    »Nein«, antwortete Gieles. Er spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. »Nur ein … jemand, der, äh, der …«
    Gieles war durcheinander. Seine Ohren sausten. Er hatte weiche Knie. Seine Stimme zitterte. Die Gruppe wurde immer größer, er wusste nicht mehr, welche Person gerade sprach. Es war, als säße er in einem Kettenkarussell und hörte nur Wortfetzen.
    »Kann ich verzichten … das Büfett ist … hihihi! … bei der Hochzeit meiner Tochter … selber schuld … huhuhu! … Vollmond! … pfui Teufel … hahaha! … hat er ein Ventil? … braucht sich nicht zu wundern! … wuhuhu! … wo ist das Ventil? … ich sage, das Büfett ist … gegessen und getrunken … eröffnet! … hahahaha!«
    »Holen Sie die Dame von der Information. Bitte.« Super Waling sagte es würdevoll und ruhig. »Holen Sie Frau Geerts.«
    Das Kettenkarussell kam erst zum Stillstand, als sich die Hochzeitsgesellschaft entfernt hatte und Frau Geerts sich um Super Waling bemühte.
    »Armer, armer Waling«, sagte sie bekümmert. Ihre Gecko-Augen waren feucht. »Auch das noch. Nach allem, was du schon durchgemacht hast.«
    Sie ging um die Treppe herum und untersuchte liebevoll seine Hand. »Ich rufe einen Krankenwagen«, sagte sie und stieg die Stufen hinauf, um seine verrutschten Sachen zurechtzuziehen. »Armer Waling.«

I DE & SOPHIA
Zweiter Teil
    »Mein Vater sagt, jeder wird mit einer Gabe geboren«, erklärte Sophia. Sie ruhte mit Ide im Gras unter einer Eiche, nah am See. Es war Sonntag, der einzige arbeitsfreie Tag der Woche. Sonnenlicht fiel durchs Laub.
    Ide lag auf dem Rücken, die Hände unter dem Kopf gefaltet. Sophia saß rittlings auf ihm. In weniger als zwei Monaten hatten sich die feinen Linien seines Gesichts in Furchen verwandelt. Sand, Sonne und Wind gerbten seine Haut. Sie zog die Falten mit dem Zeigefinger nach und fragte sich, wie tief sie wohl noch werden würden. Dann streichelte sie seine weißblonden Haare und küsste die Adern an seinem Hals. Ides Muskeln waren dank der Graberei nun wirklich beeindruckend, sein Körper erinnerte an den einer Bulldogge. Sie knuffte ihn in die Brust, die so hart wie Eis war.
    »Nur in bestimmten Kreisen wird man mit einer Gabe geboren.« Er sagte es ohne Ironie.
    »Aber nein«, entgegnete Sophia und lächelte. »Das hat nichts damit zu tun, wer deine Eltern sind. Jeder kann etwas Besonderes. Du zum Beispiel, du bist der beste Liebhaber auf der ganzen Welt.«
    Kichernd ließ sie sich nach vorn fallen und presste ihr Becken auf

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