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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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mehr richtig zu ihm passt«, sagte Super Waling. »Ich habe mir meinen Spitznamen selbst ausgesucht. Das ist natürlich eine Ausnahme; meistens geben einem andere so einen Namen. In der Grundschule wurde ich Mamakind gerufen. Mit Recht übrigens. Aber diesmal bin ich den anderen zuvorgekommen.«
    Sein Lächeln wirkte traurig.
    Er fuhr von der Plattform herunter und klatschte in die Hände, wie um etwas zu verscheuchen; das Thema schien für ihn abgeschlossen.
    Im Turm stand die Dampfmaschine. Gigantisch, gewaltig, zu groß für das Gebäude, so kam es einem vor. »Sie funktioniert immer noch«, sagte Super Waling stolz. »Zum Glück. Wer weiß, ob wir sie nicht wieder einsetzen müssen, wenn das Land hier überflutet wird.«
    »Glaubst du, das kann wirklich passieren?«, fragte Gieles. Er starrte in die pumpende Maschine. Ein Luftstrom ließ seine Haare hochwehen.
    »Ach, Wasser muss fließen. Früher haben die Menschen das besser verstanden, sie lebten mit dem Wasser. Wenn ihre Behausung überschwemmt zu werden drohte, packten sie ihre Habseligkeiten zusammen und ließen sich auf höher gelegenem Land nieder.«
    Während er sprach, versuchte Super Waling, sich aus seinem Elektromobil zu wuchten. Er hielt sich mit einer Hand an einem Pfeiler fest. Dabei rutschte seine Trainingsjacke hoch, die Haut an seinem Bauch wurde sichtbar.
    »Wir dagegen akzeptieren nicht, dass sich das Wasser seinen Weg sucht … Wir wollen uns alles gefügig machen … jaaaaaaah«, ächzte Waling, der sich immer noch an den Pfeiler klammerte, »wir widersetzen uns sämtlichen Regeln der Natur … aber … pf f f f f f f f f f f … fordern zugleich die risikolose … Gesellschaft …«
    Endlich stand er aufrecht, froh und stolz. Er dampft wie ein überhitzter Atomreaktor, dachte Gieles.
    »Würdest du meine Tasche nehmen?«, fragte Waling. »Es ist etwas drin, das ich dir oben zeigen möchte. Das Schönste an diesem Dampfpumpwerk findet man nicht im, sondern auf dem Turm.« Er wies auf eine schmale Wendeltreppe.
    Gieles nahm die Leinentasche aus dem Korb des Elektromobils und legte dafür seinen Rucksack hinein. Skeptisch schaute er Super Waling an.
    »Keine Sorge. Ich bin schon hundertmal oben gewesen. Ach, was sag ich, millionenmal. Diese Stufen nehme ich mit geschlossenen Augen.«
    Er watschelte zur Treppe. Gieles musste an seine Küken denken. Er konnte nur hoffen, dass sie nicht das Zimmer vollkackten. Und dass die kleinere nicht zu viel Angst hatte. Sie konnte anscheinend nur schlecht allein sein.
    Super Waling machte eine ungeschickte Verbeugung. »Nach Ihnen.«
    Gieles blickte die enge Treppe hinauf. »Bist du sicher, dass du das schaffst?«
    »Ja. Geh ruhig vor. Sie stürzt schon nicht ein. Diese Konstruktion ist unverwüstlich.« Er klopfte auf das schmiedeeiserne Geländer.
    Gieles machte sich auf den Weg. Die ebenfalls schmiedeeisernen Stufen hatten ein Glückskleemuster.
    »Wie geht’s deinen Gänsen?«, hörte er unter sich. Während Gieles schon auf halber Höhe war, hatte Super Waling erst wenige Stufen geschafft. Seine Wangen hatten die gleiche Farbe wie sein Jogginganzug. Hoffentlich platzte ihm nicht der Kopf.
    »Gut. Vor ein paar Tagen sind zwei neue Küken dazugekommen. Onkel Fred hat sie gefunden.«
    »Haben sie schon einen … grmmmm … Namen?«
    »Nein. Es ist auch nicht klar, ob ich sie behalten kann. Mein Vater weiß noch nichts von ihnen.«
    Super Waling strengte sich furchtbar an, sein Schwimmringhals war klatschnass, aber er sah entschlossen aus.
    »Du könntest sie …«, ächzte er, »nach Menschen benennen, die dir … hmgrrrr … viel bedeuten.«
    Gieles wollte ihm gerade erzählen, dass er seinen anderen beiden Gänsen jetzt doch Namen gegeben hatte, als Super Waling nach vorn taumelte. Einen Moment erwartete Gieles, der Mann werde mit den Füßen zuerst die Stufen hinunter rutschen, aber sein rechter Arm war zwischen zwei Stäben des Geländers eingeklemmt. Mit ein paar Sprüngen war Gieles bei ihm und hockte sich vor seinem Kopf hin. Super Waling lag mit der rechten Wange auf einer Stufe, was bestimmt nicht sehr bequem war. Seine Lippen hingen schwer nach unten, als wäre in seinem Mund ein Gummiband gerissen.
    »Bist du in Ordnung?« Gieles hatte nicht die geringste Ahnung, was er tun sollte.
    »Geht so«, antwortete Waling wenig überzeugend. »Ich vermute allerdings, dass ich festsitze. Liege.«
    Sein Körper blockierte die Treppe. Gieles wollte auf keinen Fall über ihn hinweg klettern. Die

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