Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
Vom Netzwerk:
deinem Taschenkalender herausgesucht«, sagte Waling fröhlich und reichte ihm den Rucksack. Gieles versuchte in seinem Blick zu lesen, ob er noch auf etwas anderes gestoßen war. Die Geniale Rettungsaktion 3032 war im Kalender in allen Einzelheiten beschrieben. Aber Walings Blick verriet nichts, er war sanft und freundlich. Kein Hinweis auf verborgene Gedanken.
    »Ich bringe schnell den Rucksack ins Haus«, sagte Gieles.
    Als er zurückkam, beobachtete Super Waling die Gänse, die neugierig seinen Karren umkreisten. Er wollte sich vorbeugen, aber der Bauch war im Weg. Erst jetzt sah Gieles den Verband am Handgelenk.
    »Wie geht’s? Dem Arm?«, stammelte er.
    »Fantastisch.« Super Waling zog den Ärmel seiner grauen Trainingsjacke über den Verband. »Nachdem mich die Sanitäter vorsichtig aus dem Treppengeländer befreit hatten, haben sie den Arm nach allen Regeln der Kunst verbunden.«
    Er machte eine wegwerfende Bewegung und lachte. »Was ich so alles erlebe … Zuerst die Feuerwehr, dann der Rettungswagen. Bin gespannt, welches Dienstfahrzeug mich das nächste Mal abholt.«
    Gieles war nicht nach Lachen zumute. »Tut mir leid, dass ich …«
    Er suchte nach Worten. Er starrte auf seinen rechten Sportschuh, während er mit der Spitze eine kleine Mulde in den Kies bohrte. Ihm fiel die Hochzeitsgesellschaft ein, die laut über Super Waling gespottet hatte. »Dass ich einfach verschwunden bin …«
    »Unsinn, Gieles«, unterbrach ihn Super Waling. »Das ist schon in Ordnung. Ich hatte einen schönen Nachmittag. Eigentlich hatte ich dir die Aussicht zeigen wollen, die man vom Turm hat. Die ist wirklich atemberaubend. Es ist eben anders gekommen. Schade, dass ich gestürzt bin. Schade für dich. Für mich. Für Frau Geerts. Für alle. Fertig, aus. Und jetzt sag mir«, fuhr er fort und strich einem der Vögel über die Federhaube, »sind das deine amerikanischen Gänse?«
    »Dies ist Tufted und dies Bufted. Ihre Haube ist größer.«
    »Du hast ihnen Namen gegeben«, sagte Super Waling strahlend.
    Gieles nickte. Es wunderte ihn, dass sich die Gänse von einem Fremden anfassen ließen. Ohne zu fauchen.
    »Sehen beeindruckend aus mit dieser Haube. Und die kleine Gans dort muss dein Neuzugang sein.« Er schaute zu der Stelle im Gras hinüber, auf der das Küken schlief. »Niedlich.«
    »Ja, und das ist ihre Schwester.«
    Gieles zeigte auf die Wiese, auf der die große Gans büschelweise Gras ausrupfte.
    »Die scheint ja ausgehungert zu sein.«
    »Ist sie gar nicht«, sagte Gieles, »sie ist nur total verfressen … Ich meine …« Wieder fühlte er sich unbehaglich.
    »Dann pass aber auf, dass die junge Dame nicht so korpulent wird wie ich«, lachte Super Waling.
    Sie schauten eine Weile der schlingenden Gans zu. Tufted und Bufted watschelten auch in Richtung Wiese, hielten aber sicheren Abstand. Die Neue schüchterte sie ein.
    Seit ein paar Tagen wusste sein Vater von der Existenz der beiden jungen Gänse. Wie auch immer Onkel Fred das geschafft hatte, sie durften bleiben, bis sie ihre ersten Flugversuche machten. Dann mussten sie weg. Die zweite Bedingung war, dass sie unter keinen Umständen mehr das Haus betraten. So hatte Willem Slob es formuliert.
    Super Waling wollte offenbar wieder aufbrechen, aber Gieles hätte ihn gern noch dabehalten. Es war sonst niemand zu Hause.
    »Ich hab den zweiten Teil von Ide und Sophia gelesen«, sagte er und zog das fransige Netz stramm. »Hast du das alles geschrieben?«
    »Ja«, antwortete Super Waling unsicher. »Hat es dir denn gefallen?«
    »Klar. Ich find’s gut. Wirklich sehr gut.«
    »Danke für das schöne Kompliment. Du bist der Erste, der es gelesen hat.«
    Gieles kannte sonst niemanden, der so strahlen konnte. Ein riesiger Leuchtkäfer.
    »Aber Sophia tut mir sehr leid, weil man sie zusammengeschlagen hat. Ist ihr Gesicht jetzt ganz schief? Und ist das alles wirklich passiert?«
    »O ja. Ide und Sophia Warrens sind meine Urahnen.«
    Gieles dachte über das letzte Wort nach. Urahnen?
    »Um genau zu sein, sie waren meine Urururgroßeltern. Nach der Trockenlegung des Haarlemmermeer hat Sophia ein Tagebuch geführt, in dem sie auch ihre Erinnerungen notiert hat. Es sind mehrere gut erhaltene Hefte.«
    »Dann waren sie gar nicht von Adel?«, fragte Gieles enttäuscht.
    Super Waling lachte auf. »Nein, leider nicht. In meinem Familienstammbaum gibt es kein blaues Blut. Wenn du wissen möchtest, wie es Sophia später ergeht, gebe ich dir mit dem größten Vergnügen den dritten

Weitere Kostenlose Bücher