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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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bändellosen Schuhe auf die Trittfläche desElektromobils. Waling schüttelte die Crocs von den nackten Füßen. Es waren tatsächlich normale Füße, höchstens ein bisschen geschwollen.
    »Und?«, fragte Super Waling, nachdem er seine Füße in die Basketballschuhe geschoben hatte.
    »Perfekt.«
    In fünfzig Meter Entfernung rollte mit brüllenden Triebwerken ein afrikanisches Flugzeug vorbei.
    »Was für ein Krawallmacher«, sagte Super Waling.
    »Der Flughafen will hier Pyramiden gegen den Lärm bauen.« Gieles legte die Beine auf den abgeschabten Stuhl vor sich. Er betrachtete die schwarzen Härchen auf seinen Unterschenkeln. Es war ihm ein Rätsel, wieso er noch kein bisschen Bartwuchs hatte, obwohl er an den anderen Stellen Haare bekam.
    »Wir müssen dann weg.«
    Am Wassergraben hockten drei junge Männer mit Kameras. Neue Campinggäste. So eine große Gruppe hatte Onkel Fred noch nie gehabt. Sie hatten die Kameras auf Stative gestellt, es wirkte professionell. Am anderen Ende stand wieder das Raumschiff des alten Ehepaars. Johan und Judith selbst hatte er noch nicht gesehen. Er hatte keine Lust auf die Alben.
    »Fändest du es schlimm, wenn ihr wegziehen müsstet?«, fragte Super Waling.
    Gieles zuckte mit den Schultern. »Mein Vater fände es sicher schlimm, er ist hier geboren. Auch Onkel Fred ist auf dem Hof geboren, aber er regt sich nie über was auf. Und Dolly wäre happy. Sie hasst alles hier. Nur Liedje, die Mutter von Toon, das ist dieser Freund von mir, der jetzt immer so nervt, die wär dann echt am Ende.«
    »Mmmm. Aber was denkst du selbst darüber?«
    Gieles schwieg. Mit der Schuhspitze pulte er eine Latte des Stuhls vor ihm los.
    »Ich weiß ja nicht, ob die das tatsächlich machen … Ob hierPyramiden hinkommen … Aber als mir Toons Vater davon erzählt hat, musste ich an das Pferd denken, das im Schlamm versunken ist. Vielleicht war das unter der Piste, vielleicht haben sogar Sophia und Ide hier gelebt. An dieser Stelle. Das ist doch alles wirklich passiert?«
    Er schaute Super Waling durchdringend an.
    »Aber ja. Und es könnte sehr gut sein, dass ihre Hütten hier in der Gegend gestanden haben. Ohne all die Bebauung könnten wir von hier aus das Pumpwerk sehen.«
    »Sektion 27«, fiel Gieles ein.
    »Dass du das behalten hast!«, sagte Super Waling überrascht.
    Gieles hatte es behalten, weil er den ganzen Abschnitt über die Aufteilung in Sektionen geklaut hatte. Allmählich war es eher Super Walings Aufsatz als sein eigener.
    »Unser Hof wird dann abgerissen«, sagte Gieles. »Das fände ich schon schlimm. Ich hab ja immer hier gewohnt.«
    »Landschaften«, antwortete Super Waling, »erinnern uns daran, dass wir eine Vergangenheit haben. Dein Zuhause erzählt die Geschichte unserer Vorfahren. Der Kartoffelacker da hinten verbindet uns mit den ersten Bauern, die hier das Land bestellt haben. Und dieses Wäldchen, wie hattest du das noch genannt?«
    »Das Wäldchen im Exil.«
    »Richtig, im Exil. Die Bäume erzählen uns die Geschichte von den Menschen, die gegen den Bau der Startbahn gekämpft haben. Leider erzählt uns das Land immer weniger«, sagte er traurig. »Von Sophias und Ides Zeit ist kaum noch etwas zu sehen. Alles muss dem Fortschritt weichen. Einmal ist es der Fortschritt. Dann ein Gewerbegebiet oder eine Startbahn. Oder eine Pyramide! Schon zu Ides und Sophias Zeiten war das so. Da wurden die Leute von den Landbesitzern einfach weggejagt. Zack, schnell die Hütten angezündet!«
    Super Waling sprach aufgeregt, fauchend kamen die Wörter aus seinem Mund.
    »Und wenn die armen Teufel dann immer noch nicht weg waren, tja, dann wurden sie weggeprügelt! Aus der Asche der Bauernhöfe werden sich neue Bauwerke erheben!« Er redete gegen den Lärm der Triebwerke und seine eigene Kurzatmigkeit an.
    »Ich habe mal gelesen, und ich fand das sehr zutreffend, dass Diktaturen Kultur und Landschaften zerstören. In Demokratien kann man das aber auch ziemlich gut.«
    Super Waling holte so tief Luft, dass sich seine Nasenflügel zusammenzogen. Er vertrug die Hitze wohl nicht gut.
    »Ich bin echt traurig, dass Ide tot ist«, sagte Gieles, um ihn abzulenken. »Er hat nicht mal mehr sein Kind sehen können. Und wie geht es jetzt mit Sophia weiter?«
    Super Waling fischte ein Taschentuch aus seiner Trainingsjacke und tupfte sich das Gesicht. Haarsträhnen klebten wie nasse Herbstblätter auf seiner Stirn. »Mach dir keine Sorgen. Sophia kommt schon zurecht. Die ganze weibliche Linie von meiner

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