Gleitflug
aus seiner Bettstatt. Er schleifte ihn zum Wagen und legte drei runde Pfähle darunter. Dann zog er Ide vom Wagen, wie ein Sack Mehl plumpste er auf die Strohmatratze.
Der Bauer legte Ides Gliedmaßen zurecht, senkte den Blick und rollte ihn zu Sophias Hütte, indem er die runden Pfähle immer von neuem unter den Strohsack schob. An der Tür half ihm Sophia; ohne ein Wort zu wechseln, drückten sie den störrischen Strohsack so weit zusammen, dass er durch die Öffnung passte.
»Wir legen ihn auf den Boden«, entschied Sophia. »Sonst wird der Strohsack nass.«
Der Bauer entgegnete, das sei ihm gleich, aber sie bestand darauf, also zerrte er den Riesen auf eine Decke.
Sophia bot ihrem Brotgeber Kaffee an, er setzte sich keuchend auf einen Stuhl. Schweigend saßen sie zusammen am Tisch. Er wusste nicht, wohin er schauen sollte. In die dunklen, traurigen Augen Sophias oder auf den schlammverkrusteten Leichnam seines Knechts. Aus dem Bett war ein leises Quengeln zu hören.
»Ganz vergessen«, sagte der Bauer, sprang auf und verließ erleichtert die Hütte.
Einige Minuten später kehrte er mit einem Bündel unter dem Arm zurück.
»Sachen für das Kind«, sagte er unsicher. Sie hatte den Säugling aus dem Bett geholt und in ihr Umschlagtuch gewickelt. Nur ein paar feuerrote Härchen schauten heraus.
»Er hat deine Haare«, sagte der Bauer.
»Es ist ein Mädchen«, verbesserte ihn Sophia. »Sie heißt Anna Louisa. Nach Anna Louisa Geertruida Toussaint.«
Der Bauer zuckte mit den Schultern.
»Die Schriftstellerin«, erklärte Sophia, und noch während sie es sagte, fiel ihr ein, wie dumm das war. Der Bauer konnte nicht lesen. »Das war der einzige Name, der mir diese Nacht eingefallen ist.«
»Hattest du nicht gesagt, es würde ein Junge?«, piepste der Bauer verwirrt. Er stand auf und murmelte, er habe etwas zu erledigen.
Sophia legte ihr Kind wieder aufs Bett. Sie machte Wasser heiß und goss es in eine Schüssel. Dann kniete sie sich vor Ides Füßen auf den Boden und zog ihm die nassen Stiefel aus. Die nassen Strümpfe, die Hose, die Unterhose. Die schwere,schlammverschmierte Joppe. Das sumpfige Land hatte von Ide Besitz ergriffen.
Sie leerte seine Taschen und fand den Schmuck. Die goldene Kette, den Ring mit dem kleinen Stein und die Brosche. Eine kleine, ovale Brosche mit drei kleinen Feen aus Elfenbein.
Sie knöpfte sein Flanellhemd auf und untersuchte die schwarzen Brandwunden. Seine linke Flanke war auf die gleiche Weise verbrannt. Der Blitz war an der Brust eingetreten und hatte den Körper an der Flanke wieder verlassen, und der elektrische Strom hatte unterwegs sämtliche inneren Organe zerstört. Zögernd betastete sie die verbrannte Haut. Sie bildete sich ein, dass er noch glühte.
Stundenlang umsorgte Sophia ihren Ide. Sie säuberte ihn so gründlich, dass ihr kein Sandkorn entging, darauf hätte sie ihr ganzes Geld gewettet. Sie entfernte Schmutz aus seinem Nabel und seifte sein Geschlecht ein. Sie wusch ihm die Haare, rasierte ihn, schnitt ihm die Nägel, bürstete seine Zehen und zog ihm frische Sachen an.
Währenddessen schwatzte sie vor sich hin. Sie erzählte Ide, die Brosche werde mindestens so viel einbringen, wie sie für ein ordentliches Begräbnis brauchte. Der übrige Schmuck und ihr gespartes Geld würden für ein bescheidenes Häuschen und einen Teil des Bauernhofs reichen. Der Bauer müsse eben auch etwas dazutun, meinte sie.
»Ich sage dann, dass ich etwas geerbt habe«, erklärte sie und streichelte Ides Wange. Er sah friedlich aus. »Na, was meinst du dazu?« Sie küsste ihn auf den kalten Mund. »He! Ide Warrens, nie sagst du mal was!«
Wütend knuffte sie ihn in den Arm. Das Kind begann zu weinen.
Sie stand auf. Es schwindelte ihr, sie musste sich am Stuhl festhalten. Vorsichtig nahm sie das kleine Paket aus dem Bett, setzte sich neben Ide auf den Boden und schmiegte sich dannso an ihn, dass ihr Kopf auf seiner Schulter ruhte und das Kind zwischen ihnen lag. Während das kleine Mädchen gierig trank, wurde Ides frisches Hemd nass von Sophias Tränen.
16
Gieles war seinen Plan Punkt für Punkt durchgegangen und zu dem Schluss gekommen, dass er beim Training Hilfe brauchte. Er hatte Super Waling eingeladen, um mit seiner Unterstützung den Ernstfall an der Piste zu simulieren. Wenn Gieles selbst mit Onkel Freds Elektrokarren auf die Gänse zufuhr, blieben Tufted und Bufted sitzen. Vor einem landenden Flugzeug würden sie aber vielleicht doch die Flucht ergreifen.
Weitere Kostenlose Bücher