Gleitflug
planschten in dem aufblasbaren Becken. Am Zaun beobachtete Jonas fasziniert die Flugzeuge, es war Hauptverkehrszeit. »Wiejwiejwiejwiej« jaulte der Kleine. Flugzeuge konnte er noch im Schlaf nachmachen.
Wie riesige Föhne bliesen die Triebwerke Kerosinabgase zu den Häusern. Gieles lag unter dem Sonnenschirm und fühlte sich benommen von der Hitze und dem süßlichen Geruch. Es war der wärmste Juni seit Jahren. Seine Lippen waren trocken, die Augen brannten. Er wollte gerade sein T-Shirt ausziehen, als plötzlich Toon mit der trägen Hündin im Garten stand. Er trug nur eine kurze Hose, die so tief auf seinen Hüften hing, dass sein Schamhaar herausschaute. Der kahle Schädel glänzte in der Sonne.
Gieles beschloss, sein T-Shirt anzubehalten.
»Ätzend heiß«, gähnte Toon und setzte sich auf den Liegestuhl neben Gieles. Lady schlich in den Schatten unter dem Tisch.
Toon hakte ein Taschenmesser von seinem Gürtel. Mit einer stumpfen Klinge begann er an seinen Fingernägeln herumzuschaben. Vorsichtig entfernte er den roten Dreck darunter.
»Schweinefleischmarinade.« Er wischte die Klinge an der Sohle seines Flipflops ab. Samstags arbeitete er bei seinem Vater in der Metzgerei.
»Schweine bluten in fünf Minuten aus. Ein Stich ins Herz und einer in den Hals, und dann sind sie weg.«
Gieles war einmal mit Toon im Kühlhaus neben der Metzgerei gewesen. Dort hingen geschlachtete Schweine an Haken unter einer Schiene. Sie hatten keine Köpfe mehr. Toon hatte sich an einen der Körper geklammert und wild hin und her schaukelnd gegen die anderen getreten.
»Hast du mal gesehen, wie ein Pferd geschlachtet wird?«, fragte Gieles.
»Nein.« Toon schnitzte mit dem Messer in der Sohle des Flipflops herum. »Aber das ist sicher total geil. Kriegt das ’n Schuss in den Kopp.« Er drückte den gestreckten Zeigefinger zwischen seine Augenbrauen. »Duff.«
»Früher hat man das mit ’nem Nagel gemacht«, sagte Gieles und starrte in den Sonnenschirm über seinem Kopf. Die Sonne hatte den weißen Stoff orange verfärbt. Er überlegte, wie das kam. Alle Farben bleichten in der Sonne aus, wieso wurde dann Weiß zu einer Farbe?
Toon hatte inzwischen das Wort »dushi« in seine Sohle geschnitten, sah Gieles, als ihm der Fuß fast vor die Nase gehalten wurde. »Das ist Muschi in diesem Antillen-Dialekt.«
Dolly sah Toon hier nicht gern. Sie meinte, man könne ihm nicht über den Weg trauen. Gieles wusste nicht, ob das stimmte. Er kannte Toon schon so lange, dass er darüber nicht mehr nachdachte. Aber seit einiger Zeit fühlte er sich in Toons Gegenwart schlecht. Während er sich mit Super Waling besser fühlte.
Wenn er mit Meike telefonierte, war er vor allem scharf auf sie.
Die zwei Brüder im Planschbecken spielten Wer-am-längsten-unter-Wasser-bleiben-kann. Der Kleine am Zaun gab ein hohes Kreischen von sich und streckte die Ärmchen aus.
»Ich check mal den Kühlschrank«, sagte Toon.
Dolly hätte bestimmt etwas dagegen, dass Toon den Kühlschrank checkte, aber seit dem Brustkrebsdrama hatte Gieles Mitleid mit ihm.
Er drehte den Kopf und spuckte auf den Rasen. Die Luft, die er einatmete, schmeckte klebrig. Er dachte an Meike und ihre täglichen Telefongespräche. Ihre Stimme war so weich wie Wallies neue Federn. Dieses Weiche passte irgendwie nicht zu ihrem Aussehen und dem Inhalt ihrer Geschichten. Die waren brutal und böse. Er fragte sich, wo Toon so lange blieb, und schloss die Augen.
Plötzlich wurde etwas Kühles gegen seine Wange gedrückt. Als er die Augen öffnete, schwenkte Toon vor ihm ein schwarzes Ding hin und her.
»Der tote Macker hat seinen Schniedel im Nachttisch liegen lassen«, sagte Toon und schnüffelte an dem Ding. »Ist ganz schwarz geworden.«
Gieles sprang auf. »Woher hast du das?« Er blickte ängstlich zu Skiq und Freek hinüber, die aber nichts gemerkt hatten. Dann starrte er wieder auf den Dildo, der wie ein länglicher Pilz aussah.
»Sag ich doch, aus ihrem Nachttisch.« Toon tunkte den Dildo in seine Cola und leckte dann die Spitze ab.
Gieles hätte diese Kalbfleischnase gern zu Brei geschlagen.
»Leg ihn zurück.«
»Chill dich ab, Alter. Klar leg ich ihn zurück.«
Gieles versuchte ihm den Dildo wegzunehmen, aber Toon hielt ihn hoch über seinen Kopf. Skiq und Freek stiegen neugierig aus dem Planschbecken. Sogar Lady wachte auf. Plötzlich begann der Dildo summend zu vibrieren. Verblüfft musterten die kleinen Jungen das Gerät.
»Er kann stärker und schwächer«,
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