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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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üben«, erklärte Angus, »sie lassen sie die Schwerter auch halten. Ich hab ja keinen Vater mehr, aber als mein Vater noch da war, durfte ich sein Schwert halten, und hätte er’s nicht verloren, hätte ich ’s geerbt.«
    »Oh, Angus.« Sandy Og musste an sich halten, um den Jungen nicht zu berühren. »Natürlich würde ich Duncan mein Schwert halten lassen, und dich ebenso. Es sollte euch beiden gehören.«
    Der Altersunterschied zwischen beiden Jungen war mit einem Mal wie ausgewischt. Sie waren zwei kleine Knaben, diemit glänzenden Augen auf etwas warteten. »Euer Claymore, die Sense von Killiekrankie«, murmelte Angus. »Alle reden davon.«
    Duncans Mund stand vor Aufregung offen. Sandy Og musste schlucken. »Ich habe es nicht mehr«, sagte er endlich. »Ich wäre froh, es euch zu geben, aber es ist nicht mehr da. Ich habe es im Flusstal von Cromdale gelassen, in der Nacht, als die Feinde kamen. Ich habe nicht mehr gerettet als mein Leben und mein Pferd.«
    Die Jungen sahen einander an. Wahrscheinlich hatten sie von jenem Claymore Tag und Nacht gesprochen, bis die Waffe ins Unermessliche gewachsen war und Riesen wie Weizenhalme fällte. Jetzt mussten sie erkennen, dass das Ziel ihrer Träume eine Schimäre war und der Tag, auf den sie hingelebt hatten, nicht kommen würde. »Du hast aber doch ein neues!«, platzte Duncan heraus. »Du gehst üben, also musst du ein neues haben.«
    »Duncan«, sagte Sandy Og. »Wenn ich zum Üben gehe – hast du nie ein Geräusch gehört? Ich habe kein neues Claymore, weil ich keines brauche. Es fällt mir schwer, das zu sagen, aber ich finde, ihr habt verdient, es zu wissen: Ich glaube, die Zeit des Claymore ist zu Ende.«
    »Aber wie soll das sein?«, begehrte Angus auf. »Das Claymore ist unsere Waffe! Wie kann da seine Zeit zu Ende sein?«
    »Das frage ich mich auch. Und ich habe dieselbe Angst wie du«, murmelte Sandy Og. Duncans Blick traf ihn wie ein Hieb. »Manchmal ist es aber wohl nötig, etwas Neues zu finden. Auch neue Waffen, wenn die alten uns nicht mehr helfen, Kriege zu überleben, wie man sie jetzt führt.«
    »Im Krieg geht’s nicht ums Überleben!«, empörte Duncan sich altklug. »Ums Siegen geht’s.«
    Sandy Og nickte. »Aber gebührt der Sieg letzten Endes nicht dem, der überlebt?«
    In Ballindalloch hatte er an sich eine Entschlossenheit entdeckt, die er nie gekannt hatte. Ich will Munition kaufen , hatte erzu Lochiel gesagt . Genug, um mich den Winter lang mit der Pistole zu üben. Ich will überleben, und wenn ich dafür töten muss, will ich es wenigstens können.
    Auf einmal schien ihm alles einfach: Um einen Hahn zu spannen, brauchte man nicht zwei gesunde Beine. Einem Heckenschützen wurde nicht halb so viel Ehre zuteil wie einem Schwertkämpfer, aber er war ungleich nützlicher. Ich will nicht, dass du stirbst. Ich will nicht, dass du tötest. Aber was du willst, zählt: wie die anderen sein. »Duncan«, sprach er seinen Sohn an, »wir haben nicht viel Munition, doch ein einziger Schütze kann viel ausrichten. Wenn du willst, unterweise ich dich im Pistolenschuss.«
    Tränenblind schüttelte Duncan den Kopf. Sandy Og hatte nichts anderes erwartet. Er setzte sich zu ihm, zwang sich aber, den Abstand zu halten, den der Blick des Sohnes verlangte. Sandy Og verstand ihn: Von dem Heldenvater, den er sich zurechtgedacht hatte, war an diesem Morgen ein Stück abgebröckelt wie von trockenem Brot.
    Von meinem Heldenvater, fiel Sandy Og ein, fehlt mir noch immer kein Krumen. Duncan hätte ihm leidtun sollen, doch aus unerfindlichem Grund beneidete er ihn. Er hätte sich bemühen sollen, die Bewunderung seines Kindes wiederzuerlangen, aber es schien auch richtig und unabdingbar, wie es war. »Ich liebe dich«, hörte er sich sagen. Das ist, was ich dir geben kann. Auf Jahre war ich sicher, dass die Worte aus Stein sind und sich zum Sprechen nicht schmelzen lassen, aber jetzt fließen sie wie Wasser. Sandy Og stand auf und klopfte sich Borkensplitter vom Kilt. »Lass mich wissen, wenn du deine Meinung änderst. Ich bin sicher, du würdest einen beachtlichen Schützen abgeben, und ich würde dich mit Freude unterweisen.«
    Er gab Angus die Hand und beschwor ihn stumm, Duncan beizustehen, jetzt, wo sich der eine so vaterlos wie der andere fühlte. Er hätte wie jeden Tag in die Waldung hineinlaufen können, bis zu der Lichtung, auf der er seine Zielübungenmachte, aber er wollte um jeden Preis seine Frau sehen, solange er die flüssigen Worte noch im

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