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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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wegzuschicken. Da das nicht möglich war, hatte er sich bisweilen gedacht: Wenn ich ein Mann bin, will ich meinen Vater hassen wie er mich.
    Inzwischen wünschte sich Sandy Og, er könne tun, was sein Vater getan hatte: seinen Sohn wegschicken, es einem anderen überlassen, sein Scheitern mitzuerleben. Ihm lag nichts daran, dass Duncan sich im Umgang mit dem Schwert bewährte, aber der Eifer und die unvermeidliche Enttäuschung des Jungen schnitten ihm ins Herz. Dass sein Sohn litt, was er gelitten hatte, war unerträglich. Zumal Duncan an seinem Versagen schuldlos war, denn auf einem Bein ließ sich kein Schwert schwingen.
    Hätte Duncan zwei gesunde Beine gehabt, hätte er ohne Zweifel alle übertroffen. Er war fleißig, mutig und klug, und was ihm an Muskelkraft fehlte, machte er durch Wendigkeit wett. Es war nicht gerecht, dass einem Kind, das sich so mühte, der Lohn verwehrt blieb. Sandy Og hatte ihm das Holzschwert so leicht wie möglich geschnitzt, und Duncans Geschick verdiente Beifall, doch er würde nie gut genug werden, um mit anderen Jungen Übungskämpfe auszufechten; zudem hätte keiner der andern Duncan als Kampfgegner geduldet. Wäre es nachden übrigen Vätern gegangen, wäre Duncan ohnehin nicht unterrichtet worden, sondern als der Krüppel lebenslang vor jeder Gefahr beschützt. Duncan aber brannte auf die Unterweisung an der Waffe wie kein Zweiter, und zu Sandy Ogs Verblüffung fand sich auch einer, der sich als Gegner für ihn zur Verfügung stellte: Angus, Gormals Sohn.
    Am Abend nach der ersten Lektion, in der Sandy Og jeden von Duncans stolpernden Schritten überschwänglich gelobt hatte, war Angus ihm sogar nachgegangen, um ihn zu mahnen: »Ich bitt um Vergebung, aber so dürft Ihr Duncan nicht anfassen. Er ist der Sohn eines Helden und der Enkel des MacIain. Ihr kränkt ihn, wenn Ihr ihn behandelt wie ein Wickelkind.«
    Sandy Og dankte dem Himmel für solchen Neffen. Fortan unterwiesen sie Duncan zu zweit, tadelten seine schwankenden Ausfallschritte, obwohl sie wussten, dass der Junge nicht anders konnte, und Sandy Og schlug mit dem Stecken nach dem Fuß, den es nicht gab, wie es Achtriachtan bei ihm getan hatte, um die Beinarbeit zu verbessern.
    Später lieferte Angus sich mit Duncan Kämpfe, während Sandy Og sich für seine eigenen Übungen zurückzog. Als Schnee alles zudeckte und die Leute in die Häuser zwang, wollte Duncan um jeden Preis weiterüben, und auch Sandy Og gönnte sich keine Pause. Duncan war fleißig, weil er nichts lieber wollte als kämpfen, Sandy Og hingegen konnte Cromdale nicht vergessen. In Cromdale hatte ich Glück , wusste er. Das nächste Mal will ich nicht darauf angewiesen sein.
    An einem schneidend kalten Morgen übten sie zu dritt am Rand der Waldung oberhalb von Carnoch. Den Platz hatten sie gewählt, weil er sowohl vor der Witterung als auch vor Blicken geschützt lag. Und wenn der Schnee sich zu hoch türmte, führte Sandy Og den Schecken an den Hang und ließ ihn die weißen Massen platt trampeln. Meist schneite es über Nacht nach, aber manchmal – wie in dieser Nacht – überfror stattdessen die gesamte Fläche, sodass sie ihr Übungsfeld spiegelglatt erwarteteund sie ihm mit Äxten zusetzen mussten, bis es rau genug für Duncans Krücke war.
    Man fror erst, geriet dann ins Schwitzen, und wenn der Schweiß beim Rasten eiskalt wurde, fror man von Neuem. Mit dem Schweiß rannen Duncan Tränen. Es fiel Sandy Og schwer, das mitanzusehen, aber sein Sohn war strenger als sein Vater. Für jeden Fehler, jeden Augenblick der Schwäche warf er sich umso härter in den Kampf. Die Luft sirrte von den Schlägen des Holzschwerts gegen das Übungsgestell, gegen den Stab, den Sandy Og führte, und gegen das Schwert von Angus. Auch wenn Duncan den Oberkörper mit schlangenhaftem Geschick wand, stürzte er in den Drehungen mehrmals zu Boden. Sooft sein knochiger Körper aufschlug, wollte Sandy Og sich die Ohren zuhalten, Duncan jedoch stand sofort wieder auf.
    Als seine Lungen bei jedem Atemzug pfiffen, gebot Sandy Og Einhalt. Der Junge schwankte, während Sandy Og und Angus ihm zu einem umgestürzten Baumstamm halfen, auf den er sich setzen konnte. Duncans Lippen waren blau vor Kälte. »V-vater«, stotterte er mühsam. »Bin ich noch nicht gut genug?«
    »Gut genug wofür?«
    Duncan versuchte zu antworten, doch ihm versagte die Stimme. Sein Freund und Beschützer sprang für ihn ein. »Die anderen Väter lassen ihre Söhne zusehen, wie sie mit ihren Schwertern

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