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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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wusste. Er hätte sie vor dem Wissen behüten müssen, aber das ließ sie nicht zu, sie war Sarah, die alles hörte und sah. Er strich ihr Haar von der Schläfe und wickelte es sich um die Finger. »Ich sage ihm, dass ich nicht gehe. Dass ich für meine Kinder sorgen muss.«
    »Deine Kinder sind ein Krüppel und ein Mädchen. Die zählen nicht«, sagte sie.
    Er schluckte. »Für mich zählen sie. Ich tausch sie nicht ein.«
    Sie blickte zu ihm auf, grub ihm die Hände in die Schultern, zog sich an ihm hoch und küsste ihn auf die Lippen. Ihre Augen glänzten. »Ich hab Angst, du kannst es nicht.«
    »Ich kann was nicht?«
    »Ihm sagen, dass du nicht gehst. Er wird tun, was er immer tut: dich mit Verachtung strafen, dich mit seinen Worten niedermachen. Dem hältst du nicht stand, weil du ihm immer noch so gern gefallen willst.« Sie befreite sich aus seiner Umarmung und drehte ihm wieder den Rücken zu.
    » Dir will ich gefallen«, entfuhr es Sandy Og. Sofort wusste er, dass er eine lachhaftere Antwort nicht hätte geben können.Zorn stieg in ihm auf, der Wunsch, etwas aus dem Spind zu nehmen und auf dem Boden zu zerschmettern. Weshalb wurde ihm jedes Wort auf die Waage gelegt? War er kein Mann? Zählten seine Taten nicht mehr als Geschwätz?
    »Du hältst ihm nicht stand«, wiederholte sie, »weil du selbst nicht überzeugt bist, dass dieses Anrennen gegen Lawinen sinnlos ist. Nur um meinetwillen willst du nicht mittun.«
    Wie so oft brachte sie ihn dazu, sich wie ein Tölpel zu fühlen. Und wenn ich deinetwegen vor Lawinen stillstünde, wäre auch das dir nicht genug? Er wollte nicht dumm vor sich hin stammeln, griff nach ihr und zwang sie zu sich. »Ich kann’s nicht, hörst du?« Er schrie beinahe. »Ich kann mich nicht bessern! Der Kerl, den du willst, kann ich nicht sein.«
    Ihr Gesicht war nass, wie verschwitzt. »Geh zu deinem Vater. Ich hab ihm gesagt, dass ich dich gleich schicke, wenn du kommst.« Sie küsste ihn, packte sein Haar im Nacken und ließ sich Zeit.
    »Sarah.« Gern hätte er ihr versprochen, standzuhalten, ein Mann zu sein, kein Dreikäsehoch, der vor seinem Vater kuschte. Der Vater verachtete ihn ohnehin. Gern hätte er behauptet, dass ihn das nicht länger kümmerte.
    Sie wies mit dem Kopf zur Tür, nahm das erwachende Kind aus dem Bett und zerrte sich den Brustlatz auf. »Sandy Og?«
    Er war schon zwei Schritte gegangen. »Ja.«
    Ihre Lippen bewegten sich, aber es kam kein Laut. Hilflos lächelte sie und küsste die Luft.
    Er musste gegen den Schnee anlaufen, der schräg und in schweren Flocken fiel. Als er auf Carnoch ankam, war er bis auf die Haut durchnässt. Sein Vater erwartete ihn in seinem Herrenzimmer. Sandy Og tropfte aus jedem Zipfel und stand so linkisch vor ihm wie als Knabe, wenn ihm eine Abreibung blühte.
    Gemächlich erhob sich der MacIain aus dem Stuhl. »Soll die Mutter dir Tücher bringen?«
    »Nein.«
    Der Vater wies auf den Stuhl, der dem seinen gegenüberstand. »Setz dich.«
    Sandy Og hätte sich liebend gern gesetzt, schüttelte aber den Kopf.
    »Wie beliebt, Herr Sturschädel. Dann halt wenigstens die Hände still.«
    »Was willst du?«
    »Oho! Hat dein Vater dir keine Manieren beigebracht, dass du ihm so kommst? Aber von mir aus, sei ’s drum – ein Kerl ist eben ein Kerl, kein Schoßhund, was?« Der Vater hob die Hand und legte sie ihm auf die Schulter.
    Sandy Ogs Körper wurde steif. Wie oft hatte diese Hand ihn geohrfeigt, durchgehauen, ihm den Nacken gequetscht, bis er würgte, ihn manchmal gekitzelt und mit Honig gefüttert – aber das, was sie jetzt tat, sich langsam senken und seiner Schulter einen Klaps versetzen, hatte sie noch nie getan.
    »Ich wollte dir das seit Wochen sagen, aber wann sind denn wir beide mal allein?« Sein Vater klopfte ihm noch einmal auf die Schulter. »Deshalb habe ich dich herbestellt. Von mir bekommt jeder, was er verdient. Und du hast Lob verdient. Ich bin stolz auf dich.«

Kensington Palace, April 1691
    Der englische Winter, die Feuchtigkeit und das Wissen, von einer tosenden, eisgrauen See umschlossen zu sein, machte das Königspaar krank. William hustete Blut, und Mary fühlte sich so saft- und kraftlos, als würde sie innerlich verbluten. Allerdings konnte William nach Flandern oder Irland entfliehen, während Mary ausharren musste. Ihr war unwohl, und um ihren Appetit stand es schlecht.
    Allein ihr Garten war Balsam für ihre Seele. Die Frühblüher, die sie aus Holland hatte kommen lassen, reckten bereits zarte

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