Glencoe - Historischer Roman
Mund trug. Die Rauchsäule über seinem Haus verriet, dass seine Frau aufs Feuer achtete. Sie kochte seinen Kindern Suppe, wie seine Mutter ihm Suppe gekocht hatte und zuvor die Großmutter ihr. Heißt zu Hause sein, sich zu wünschen, dass sich nie etwas ändert? Sandy Og rannte, dass der Schnee stob. Ohne anzuklopfen, stieß er seine Tür auf.
An eine Schlinge vom Dachbalken hatte Sarah ein Bett aus Leinenstreifen für das Kind gehängt. Duncan hatte nie in diesem Bett liegen wollen, er hatte immer geschrien, wohl vor Schmerzen. Seine Tochter dagegen schlief ein, sobald Sarah sie niederlegte und das kleine Bett sanft schwang. Jean war ein wildes Kind, das wie ein Katzenjunges auf dem Boden herumkroch und seine Kräfte erprobte. Wenn sie erschöpft war, hob Sarah sie auf, klopfte ihr den Staub von den Kleidern und bettete sie zwischen die Decken. Das Kind schob sich den Daumen in den Kirschmund und gab gleich darauf gurgelnde Schlafgeräusche von sich.
Sarah drehte sich nicht um, sondern fuhr fort, Decken um das Kind zu wickeln. »Machst du wohl endlich die Tür zu? Merkst du nicht, dass es schneit?«
Er hatte es tatsächlich nicht bemerkt, obgleich der Wind ihm gehörig in den Rücken blies und seine Kleider blähte. Rasch trat er über die Schwelle und schloss die Tür. Seine Frau drehte sich noch immer nicht um. Sie zupfte an den Seilen, die das Kinderbett hielten, als gäbe es daran etwas zu richten.
Sandy Ogs Zunge tastete nach den fließenden Worten, doch die waren klumpig geworden und gewannen mit jedem Herzschlag an Gewicht. Etwas musste er sagen. »Sarah.«
»Ja, so heiß ich.«
»Bist du mir böse?«
Sie zupfte an den Seilen und gab keine Antwort.
Ein Hochländer sollte Herr über seine Frau sein. Wenn sie ihm nicht gehorchte, sollte er sie zurechtweisen, sie notfalls mitdem Haselstecken Unterwerfung lehren. »Sprich!«, herrschte er sie an und trat weiter in den Raum.
Ihr Rücken wies ihn ab, ihre Schulterblätter, die den Stoff flügelgleich spannten, der Streifen Haut zwischen Kragen und aufgestecktem Haar, auf dem goldener Flaum wuchs.
Glaubst du nicht, dass ich dir wehtun könnte? Ich habe dein Tal mit der Axt zerhackt – davon weißt du nichts. Doch davon, dass ich getötet habe, singt Ranald Lieder. »Du sollst mit mir sprechen!« Er trat noch näher zu ihr, hätte in ihr Haar greifen und ihren Kopf zu sich herumreißen können.
»Ich will nicht.«
Als Sandy Og die Hand hob, verkrampften sich ihre Schultern. Ich will auch nicht. Nicht Herr über dich sein, dich nicht unterwerfen. Er musste lächeln. Wenn ich dir ein Haar krümmte, ginge kaputt, was mich an dir berauscht: dein mächtig frecher, schöner Stolz. Sie hatten es schwer miteinander. Sie waren wie Kinder, die erst sprechen lernten, die einander ungeschickt ertasteten und sich dabei in die Augen stachen. Wir lernen langsam, weil es so vieles gibt, das ich dir nicht sagen kann, aber dieser Winter war der wärmste meines Lebens. Er trat einen Schritt zurück. »Du bist nicht gerecht«, sagte er. »Lass mich wenigstens wissen, was ich dir getan habe.«
Sie ließ die Seile los und wirbelte zu ihm herum. Ehe er sich’s versah, schloss sie die Arme um ihn und legte den Kopf auf seine Brust. Das tat sie selten. »Nichts«, sagte sie und hob die Hand an sein Gesicht. »Noch nichts.«
Er ließ sich streicheln. War wild darauf, bekam nicht genug. Wer so gestreichelt wurde und von so einer Frau, der musste zu irgendetwas taugen. »Was ist dir geschehen, Sarah?«
»Nichts. Dein Vater war hier. Du sollst gleich zu ihm kommen. Er will dich sprechen.«
Ihre Hand auf seiner Wange und seine Hand in ihrem Haar hielten inne. Er hörte erst sein Herz, dann ihres schneller klopfen.
»Ich hab Angst, Sandy Og.«
»Dann geh ich nicht hin.« Da war er wieder, der feige Rotzbengel, der sich in einen Winkel verkroch, dem es heiß und feucht die Beine hinunterrann, wenn der Vater ihn am Haar aus dem Versteck zerrte. Er schämte sich. »Nein, das ist albern. Ich geh und frage ihn, was er will.«
»Ich weiß, was er will. Er schickt dich wieder weg.«
»Aber es ist doch Winter.«
»Er braucht Schützen in der Heide«, sagte Sarah. »Bei der Garnison und am Loch Linnhe, wo die Transportschiffe ankern. Jetzt, wo sie nicht mehr genug Leute für einen Feldzug haben, müssen sie auf diese Weise ihren Eid halten. Als Keppoch hier war, haben sie besprochen, wer wie viele Männer stellt.«
Sandy Og fragte schon lange nicht mehr, woher sie derlei Dinge
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