Glencoe - Historischer Roman
dämmert nicht, was für ein Windei uns der graue John da ins Nest gelegt hat. Habt Ihr nicht davon läuten hören, dass auf seinem Vertrag bald die Hälfte der Unterschriften fehlt? Und das ist noch nicht der Gipfel. Wäre ich ein Vögelchen, würde ich Euch nämlich zwitschern, dass neben dem Vertrag ein Papier mit geheimen Artikeln existiert, das der Königin nicht zugestellt wurde. Darin sichert Breadalbane zwei Männern freies Geleit zu, um das Einverständnis des flügellahmen James aus Paris einzuholen. Darüber hinaus sichert er ihnen zu, dass der Vertrag null und nichtig ist, sollte James seine Zustimmung verweigern – und dass er sich in diesem Fall mit tausend Mann seinen Truppen anschließt. Vergesst also besser den viel gerühmten Vertrag. Was mich betrifft, so soll es mirrecht sein; ich habe das alles satt und wünsche nur, dass es zu einem scharfen Ende kommt.«
Rob war sprachlos gewesen. Wieder einmal hatte er als dummer Junge dagestanden, wieder einmal wiesen Finger auf ihn, um zu sagen: Da habt ihr den Idioten, der nicht begreift, in welche Grube er rennt. Er schob die Hände in seinen Kragen aus schöner schaumweißer Spitze, die seinen Hals tröstlich umschmeichelte. Rob hoffte nur noch, dass Argyll bald aufbrach – immerhin ein Gefallen, den jener ihm tat. Er wolle, so murmelte Argyll träumerisch, noch in dieser Nacht wieder bei seiner Peggy sein, ihn plage Sorge, sobald er sie nicht in der Nähe habe. »Habt Ihr je eine Frau geliebt, Rob? Oder fehlt Euch dazu der Mumm? Ich wünschte, ich könnte meine Peggy in der Schoßtasche bei mir tragen – so, wie ich sie immer in meinem Herzen halte.«
Rob hatte den Branntwein getrunken, um eine weitere Nacht zu ertragen, und jetzt, wo er mit schepperndem Schädel erwachte, hätte er sogleich noch mehr davon gebraucht. Dies war der einzige freie Morgen, den man ihm zugestanden hatte, und just den suchten sich irgendwelche Berserker aus, um im Handgalopp in den Hof zu preschen. Wo war Hill? Lag der noch immer krank, ohne endlich zu krepieren? Als, wie nicht anders erwartet, sein Bursche an die Tür klopfte, zog Rob das Nachtgeschirr unterm Bett hervor und pinkelte in zornigem Strahl hinein.
Bei den Ankömmlingen handelte es sich um zwei Gesandte von Major Forbes, der das ausgesandte Bataillon zur Ergreifung der Rebellen befehligte. Zu Robs Überraschung stand Hill, das von der Ruhr verzehrte Wrack, bereits im Hof und palaverte mit ihnen. »Unsere Leute konnten die Täter ergreifen«, berichtete er Rob, kaum dass der in Hörweite trat. »Zwei hat’s im Gemenge erwischt, die übrigen dreizehn sind verhaftet. Die Frage, die Major Forbes an uns richtet, lautet nun, was mit ihnen geschehen soll.«
»Wir überstellen sie nach Glasgow«, sprach Rob aus, was er für selbstverständlich hielt. »Sollen sie sich an den Wänden der Tolbooth Steeple die Finger wund kratzen, bis ein Urteil über sie gesprochen ist.«
»Das wird so schnell nicht möglich sein.« Wie üblich meldete Hill Bedenken an. »Zunächst brauchen wir ein Schiff, das die Gefangenen mitnehmen kann, und bis wir eines bekommen, müssen sie irgendwo bewahrt werden. Zudem frage ich mich, ob solcher Aufwand vonnöten ist oder ob es nicht doch einen Weg gibt, die bedauerliche Angelegenheit hier zu bereinigen.«
Rob unterdrückte ein Stöhnen. Wenn Hill die Galgenvögel wirklich auf der Garnison gefangen setzen wollte, würde er sie auch füttern müssen, und mit seinem weibischen Herzen würde er ihnen am Ende noch Decken bringen.
»Ich würde nicht gern durch diesen Vorfall den Bestand des Vertrags aufs Spiel setzen«, nuschelte Hill vor sich hin. »Lieber wäre mir, die jungen Leute hier unter Aufsicht zu haben und diskrete Nachricht an den Staatsrat zu senden. Der mag dann entscheiden, ob die Sache Folgen haben muss oder ob wir die Heißsporne nach einer strengen Mahnung wieder laufen lassen können. Um des Friedens willen, versteht Ihr? Unter den Gefangenen befinden sich ein paar illustre Gestalten, deren Clans nicht tatenlos hinnehmen würden, wenn ihnen ein Leid geschähe.«
»Dann hätten die Clans eben verhindern sollen, dass die illustren Gestalten einen in ihrem Namen geschlossenen Vertrag brechen.«
Ungefragt mischte sich einer der Gesandten ein. »Ich würde nicht unbedingt behaupten, der Vertrag sei im Namen dieser Männer geschlossen worden«, bemerkte er. »Wir hegen einige Zweifel daran, dass das Abkommen von Achallader von sämtlichen Clanchiefs unterzeichnet worden
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