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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Schneeregen, Inveraray erreichten. Der Anblick der mit Campbell-Reichtum erbauten Stadt, die im Schatten eines Galgenhügels lag und durch deren Straßen Hochländer wie Sassenachs ihre mit Samt bespannten Hintern schwenkten, war dem MacIain verhasst. Gegen die Vorstellung, ausgerechnet hier in die Knie zu gehen, hatte sich sein ganzes Wesen gesträubt, aber das schien Jahrzehnte her. Gegen das, was er sich jetzt mit letzten Kräften wünschte, war es ohne Belang: Für die zwei Männer an seiner Seite wollte er sorgen, mit dem Eid alles hinter sich lassen, zurück nach Glencoe gehen, alt werden, abtreten. Er wollte mit Morag vor der Hütte am Black Mount sitzen und zusehen, wie die Jungen sich mit einer Welt herumschlugen, die sich ihnen beiden nicht länger erschloss.
    Er mietete sich und die Seinen im ersten Gasthof am Stadtrand ein und ließ Wein und Gesottenes bringen, alles, was von den Neujahrsfeiern übrig war.
    »Glaubst du, ich kann essen, Vater? Ehe wir bei Ardkinglass waren?«
    »Ein Mann, der einen solchen Weg hinter sich hat, sollte essen können, wenn er ein bisschen guten Willen aufbringt«,erwiderte der MacIain. Er presste sich die Hand aufs Herz, als ließe es sich dadurch zwingen, gemäßigter zu pumpen. »Zu Ardkinglass gehe ich allein, und du machst deinen großen Schnabel zu, ich dulde keine Widerrede. Ich habe einen Boten ins Gerichtshaus geschickt. Sobald Antwort kommt, bin ich auf dem Weg.«
    Die Nachricht, mit der der Bote zurückkam, war der eine Schlag, den der MacIain nicht mehr einstecken konnte, ohne einzubrechen und liegen zu bleiben. Colin Campbell von Ardkinglass war nicht in Inveraray. Er war über den Loch Fyne zu seiner Familie gereist, um dort die Neujahrsfeiern zu begehen. Bei dem anhaltend stürmischen Wetter erwartete ihn vorerst kein Mensch zurück.
    Sandy Og schleifte seinen Vater zu Bett und zog ihm die Stiefel aus, die ihm kein anderer als er selbst je ausgezogen hatte. Ehe er einschlief, küsste ihm Sandy Og die Schläfe, und das war erst recht noch nie vorgekommen. Durch die wirren, grellen Träume geisterten Ceana und Calum mit ihrem Rabenflügelhaar, Gormal in Grau, jedoch mit scharlachroten Lippen, Ben, dessen Narbe purpurn angelaufen war, Rob Glenlyon, der seine Wasseraugen nicht stillhalten konnte, der Graukopf von Breadalbane, nicht ganz schwarz, nicht ganz weiß, Sarah und Morag, zwei Königinnen, eine wie dunkles Gold, eine wie ungeputztes Silber, John und der Krüppel Duncan, beide neun Jahre alt, denen Blut über milchweiße Gesichter strömte, der alte Hill, der bräunliche Tinte über verstreute Papiere vergoss, und zuletzt noch Ranald, der bäuchlings über seinem Gaul lag und Nebelschwaden aus seiner Pfeife paffte. Dann nur noch Spinnweben. Und endlich Schwärze.
    Drei Tage später ging der MacIain manierlich gekämmt und mit gerichteten Kleidern ins Gerichtshaus zu Sheriff Ardkinglass. Als er die Straße entlangtrottete, fand er Sandy Og neben sich. »Ich sage kein Wort«, versprach sein Sohn und hob die Hände vors Gesicht. »Lass mich nur mit dir gehen.«
    Der MacIain hatte nicht die Kraft, ihn abzuweisen. Noch einmal stand er vor einem Schreibtisch, hinter dem ein Mann in einem Stuhl saß, so wie einst vor dem Schreibtisch seines Vaters, so wie er seine Söhne sich vor seinem Schreibtisch hatte aufstellen lassen. Ardkinglass war kein wohlwollender Greis, mit dem er gesoffen und Zoten gerissen hatte, sondern ein hageres Campbell-Gesicht mit kleinem Mündchen, einer wie polierten Perücke und einem Spitzenkragen bis hoch ans Kinn. Er hörte sich an, was der MacIain unter Qualen vorbrachte, ersparte ihm keines der entsetzlichen Worte und verzog keine Miene, als sei die Haut über den Zügen zu straff gespannt. Der MacIain wusste schließlich nichts mehr zu sagen und musste das Schweigen ertragen.
    Endlich sprach Ardkinglass. »Nein«, sagte er.
    »Was soll das heißen: ›Nein‹?« Der MacIain schrie. Als sein Sohn nach seiner Hand griff, schlug er ihn weg.
    Ardkinglass hingegen änderte seine Tonlage nicht. »Das Gesetz ist das Gesetz, mein Herr. Euch war lange bekannt, wo und wann Ihr den Eid zu leisten hättet, und auch, was Euch im Fall beharrlicher Uneinsicht drohte. Mit jenen Folgen habt Ihr Euch jetzt abzufinden. Ich bin meiner Befugnis betreffs des Eides enthoben und vermag nicht mehr für Euch tätig zu werden.«
    Das Gesetz ist das Gesetz. Mit den Folgen habt Ihr Euch jetzt abzufinden. »Ihr müsst mir den Eid abnehmen, hört Ihr? Ihr

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