Glencoe - Historischer Roman
spielte, nicht sang und wenig trank. Er saß vornübergebeugt, mit den Armen auf den Knien, und hatte oft die Lider halb geschlossen. Seltsam, fand Rob, ich habe getan, was ich wollte. Dieses Stolze, Unversehrte habe ich ihm zerschlagen, es ist nicht mehr da, und doch hat er noch immer etwas an sich. Er begriff, dass er Sandy Og hatte hassen müssen, weil er besaß, was ihm, Rob Campbell, nie ein Mensch gegönnt hatte, weil er ganz bei sich selbst war, und diese Erkenntnis erfüllte ihn mit tiefer Traurigkeit.
In dieser Nacht schickte Rob den Sohn der Inverrigans voraus und blieb und trank, bis der letzte Gast aufbrach und der MacIain verkündete, er müsse in sein Bett krauchen oder krache schlafend vom Stuhl. Allein, durch wässrigen Schneefall, schlich er zum Haus seiner Gastgeber und beweinte sein vergeudetes Leben. Jetzt, wo er nach endlosen Jahren ein Mensch unter Menschen sein durfte, ein Mann seines Volkes, der die alten Bräuche kannte und die alten Lieder sang, traf es ihn härter und schärfer, dass sein Bett so leer war wie sein Herz. Die Inverrigans, der Alte mit der ledrigen Haut und sein Weib mit dem krummen Rücken, lagen aneinandergeschmiegt auf ihrem Haufen Heide, ihm aber hatten sie die einzige ordentliche Bettstatt im Haus zur Verfügung gestellt, auch ordentlich eingeheizt, doch die Stille und Leere waren kalt.
In der Einsamkeit kehrten die Gedanken zurück, die würgenden Ängste, gegen die nur rasches Trinken half: Das Wetter war in diesen Tagen milder geworden, Drummond musste stündlich mit dem Befehl eintreffen. Was würde er enthalten? Er griff nach dem Krug, den seine Gastgeberin ihm bereitgestellt hatte, aber der erkaltete Whisky darin war längst geleert. Warum ängstigte er sich? Man würde ihn nach Glengarry schicken, weil der alte Glengarry den Eid nicht geschworen hatte, und zur Strafe würde der ganze Clan entwaffnet und der Chief als Gefangener auf das Fort verbracht werden. Das war nur recht und billig. Kein Verrat am eigenen Blut. Wieder hatte Rob nach dem Krug gegriffen, ehe ihm einfiel, dass nichts mehr darin war. Ohne Frage: Man würde ihn entsenden, um Glengarry die Waffen abzunehmen. Das war schnell getan, und vielleicht käme er auf dem Rückweg noch einmal durch Glencoe.
Ich habe doch an euren Tischen gesessen und euer Salz auf mein Fleisch gestreut. Ihr kennt mich jetzt. Wisst, dass ich ein Mann bin, der in Not geriet und das nicht ohne eure Schuld, dass ich aber auch ein Mann bin, der vergeben kann, wie es uns Hochländern eigen ist, ein Mann, der alten Groll über Singen und Trinken begräbt. Ein Mann, der kein Werkzeug ist, sondern ein Kerl mit geradem Rücken und milchweißen Händen. Seht meine Hände doch an, an ihnen klebt kein Blut!
Er ertrug es nicht länger. Diese Nacht war die schlimmste von allen. Weshalb lagen unter jedem Dach Menschen im Schlaf, während er wach lag und sich quälte? Weshalb lagen unter jedem Dach Menschen in Paaren, zu dreien oder vieren, Menschen, die gestohlen, gebrandschatzt, betrogen und versagt hatten, und er lag allein in seinem Bett? In dieser Nacht glaubteRob, alles klar zu sehen und zu begreifen: Wenn meine Befehle kommen, wenn ich keine Wahl habe, als sie zu befolgen, wird mein Volk mit dem Finger auf mich zeigen und schreien: »Der war ein Unmensch! Der war anders als wir!« In Wahrheit aber war ich genau wie sie: ein Mensch, der sich danach sehnt, bei einem Menschen daheim zu sein, und dem es vor dem Blut, der zerschnittenen Gurgel, dem Tod eines Artgenossen graut.
Diese Nacht trieb ihn über die Grenze des Erträglichen. Dann aber, als er glaubte, es nicht länger auszuhalten, fand er ein wenig Gnade. Denn in dieser Nacht kam das Mädchen zu ihm.
An dem Tag, an dem die Soldaten gekommen waren, hatte Ceana beschlossen, dass sie zu einem von ihnen gehen würde. Dass sie zu einem von ihnen sagen würde: »Sei mein Messer.«
Ihre Wahl traf sie schnell. Hinter einer Häuserecke stand sie, sah die Reihe der Rotberockten in die Siedlung einziehen und erkannte den einen, der nicht die Kraft aufbringen würde, sich ihr zu widersetzen. Ihre Einsamkeit ließ sie die Einsamkeit des andern wittern wie den Gestank von Krankheit. Als wählte das Schicksal so geschickt wie sie, wurde gerade jener rotgesichtige Captain mit den flackernden Augen im Haus der Inverrigans einquartiert. Ihm stand ins Gesicht geschrieben, dass er sich wie sie durch die Nächte quälte, dass er nichts zu verlieren hatte und dass er zu viel trank.
Ceana gab
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