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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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ihm drei Tage Zeit, während derer sie sich zurückhaltend und leise verhielt, wie sie es überhaupt im Haus Inverrigan tat. Ailig versuchte zwar oft, sie in die Arme zu nehmen, aber Ceana wehrte sie ab. Sie war der gutmütigen Alten dankbar und lastete ihr nichts an, doch sie wollte von niemandem mehr berührt werden, nur noch von ihrem Werkzeug.
    Der versoffene Captain war schon einmal in Glencoe gewesen und hatte sie mit Blicken befingert. Damals hatten die Blicke sie empört, weil sie selbst Blicke aufsparen und Sandy Og hatte schenken wollen, jetzt aber kamen sie ihr zupass. Ihr kam alles zupass. Der Erwählte war nicht nur ein haltloser Säufer mit mehr als hundert Soldaten unter seinem Kommando, nicht nur ein einsamer Alter, der für einen Funken Liebe vor nichts zurückschrecken würde. Er war der Onkel der Campbell. Wenn sie ihm sagte: »Sei mein Messer«, konnte sie ihn damit befeuern, dass er es zugleich für die Ehre seiner Nichte tat.
    Die Leute von Glencoe waren Schafe; sie trotteten mit der Herde, ohne zur Seite zu sehen. Die Woge der Empörung über den verräterischen Eid hatten sie schon vergessen, und dass sie die Campbells, die den größten Teil der Kompanien stellten, hassten, vergaßen sie noch schneller. An diesem Abend zogen sie vereint in ihrem Schafstrott zum Haus Carnoch. Das Mädchen namens Ceana, das dort gelebt hatte, hatten sie vergessen wie den Eid und den Hass und ahnten nicht, dass dieses Mädchen ihnen folgte. Ceana stand in der Kälte und spähte durch die von innen beschlagene Scheibe des Hauses, stand im Dunkel und starrte in die erleuchtete Stube, stand in der Stille und lauschte dem Lachen und Singen. Matheson, der entliehene Barde, dichtete ein Lied auf Fürze, die den Campbells entfuhren, sobald sie ihre Hinterbacken auf Stühlen platt drückten, und keiner nahm es ihm krumm, alles grölte, furzte vermutlich, suhlte sich in eigenen Dünsten. Sandy Og kam mit zwei Soldaten, die wie Kinder aussahen. Er trug einen grünen Rock, der ihm zu eng war, und er hatte sich das Haar mit Wasser gekämmt.
    Mein Vater hat mich geliebt. Er wollte für mich töten. Ihr habt ein dreckiges, lallendes Wrack aus ihm gemacht, das kein Mensch lieben konnte. Jetzt töte ich für ihn.
    Sie sah ihnen zu, solange sie die schneidende Nachtluft aushielt, dann ging sie zurück nach Inverrigan und wartete. Sie schlief ein wenig im Sitzen, erwachte aber sofort, als der Mannzurückkam. Wie jede Nacht polterte er mit der Tür, stolperte mehrmals und entledigte sich geräuschvoll seiner Kleider, ehe Ruhe einkehrte. Keine völlige Ruhe. Wenn Ceana das Ohr an die Wand legte, hörte sie ihn jämmerlich schluchzen.
    Sie löste ihr Haar, das sie seit Coire Gabhail nie mehr offen getragen hatte, sodass es ihr wie ein Arisaid um die Schultern fiel. Statt der mit stinkendem Hammelfett gefüllten Lampe stellte sie eine Kerze in den Leuchter, den sie aus Ailigs Spind gestohlen hatte, und so ging sie zu ihm, mit nichts als ihrem weißen Hemd am Leib. Einst hatte sie gehofft, ihre Schönheit werde ihr Glück bringen, und sie hatte sich dem Glück entgegengesehnt wie eine Braut. Jetzt hoffte sie, dass ihre Schönheit Schmerz brachte, den die Herde der Schafe nie vergaß.
    Es war noch viel einfacher, als sie gedacht hatte. Der Betrunkene stürzte ihr geradezu in die Arme, als hätte er auf sie gewartet. Sie wollte sich ihm hingeben, hatte sich entschlossen, dieses Opfer zu bringen, das kein Opfer mehr war; der Gedanke daran schreckte sie nicht mehr, nur vor der körperlichen Nähe, dem Schweiß und den Gerüchen war ihr ein wenig bange. In jener Nacht jedoch hätte sie nichts fürchten brauchen, denn der Mann knüpfte ihr nicht einmal das Hemd auf. Stattdessen legte er ihr den Kopf mit den blassblonden Locken in den Schoß, umschlang sie wie ein Stück Treibholz, das ihn vorm Ertrinken bewahrte, weinte und erzählte ihr, wie einsam er war.
    Auf Einsamkeit verstand sich Ceana besser als auf alles andere. Sie hatte nicht viel Zeit, denn die Soldaten konnten rasch abberufen werden, und doch ließ sie ihn gewähren, da er ohnehin nichts mehr gehört und erfasst hätte. Ein paar Nächte Zeit mochte er brauchen.
    Sie übte sich in Geduld.

    Einst hatte Rob das Mädchen schänden wollen, um damit ihren Bruder zu verletzen. Jetzt wollte er sie nur in seinen Höllennächten bei sich haben. Sie war sein Engel, sein Geschenk, das keiner kalten Wirklichkeit entstammte. In seiner größten Erniedrigung war sie in seine Kammer gekommen,

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