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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Geschichten und strich Gewinne ein. Sandy Og fragte ihn nach dem Klagelied des Pfeifers, und er gab zur Antwort, er müsse den Mann morgen selbst fragen; er jedenfalls habe ihm kein Spiel befohlen, und ihm sei auch niemand gestorben. John ging irgendwann, um Wasser zu lassen, da legte Glenlyon blitzschnell die Karten nieder und wisperte etwas zu Sandy Og hinüber, als dürfe Inverrigan es nicht hören.
    Bedauernd schüttelte Sandy Og den Kopf. »Ich sitze an Eurer falschen Seite. Ich höre Euch nur, wenn Ihr laut sprecht.« Der Mann schrak zusammen. »Nein«, entfuhr es Sandy Og, »das ist in Ordnung. Ihr müsst eben nur lauter sprechen.«
    »Ich hab nur wissen wollen, wie es meiner Nichte geht.«
    »Warum kommt Ihr uns morgen nicht besuchen? Sarah ist in der Hoffnung. Sie wird sich freuen, Euch zu sehen.«
    Glenlyon sah an ihm hinauf und hinunter, dass Sandy Og lachen musste. »Ich glaube, uns ist beiden nicht wohl in unserer Haut«, sagte er rasch, da er John kommen hörte. »Es ist ein neues Jahr. Wollen wir das alte vergessen? Rechnet man allesauf, so habe ich Euch mehr abzubitten als Ihr mir.« Er hatte das nicht hinzugefügt, um es Glenlyon leichter zu machen, sondern weil es der Wahrheit entsprach: Was ich dir getan habe, wird nicht mehr heil.
    Der alte Mann ergriff die Hand, die er ihm hinstreckte, und drückte sie, bis die Knochen knirschten. Ihre Blicke trafen sich. Zum ersten Mal war der des anderen stet.
    John kam an den Tisch zurück, und Inverrigan teilte die Karten zur nächsten Runde aus. »Die letzte«, sagte Sandy Og. »Sonst finde ich meinen Weg nicht mehr nach Hause.«
    Die Karten lagen kaum vor den Spielern, als es an der Tür hämmerte. »Grundgütiger!« Iain Inverrigan stand steifbeinig auf, während die Fäuste weiter gegen das Holz droschen. »Da hat sich wohl jemand im Sturm verirrt und muss schleunigst an ein warmes Plätzchen.«
    Die Tür flog auf, ehe er sie vollständig entriegelt hatte. In einer Schneewehe trampelten drei Männer in roten Röcken herein, bewaffnet mit jener neuen Art von Musketen, an denen die Bajonettspitzen festgesteckt waren: dreieckige, tödliche Klingen, eine Lehre aus Killiecrankie. Außerdem trugen die Männer die ledernen Schlaufentaschen der Grenadiere.
    Der Anführer war ein schlanker Offizier mit angenehmen Zügen und blondem Haar, aus dem Wasser in Bächen troff. »Captain Campbell von Glenlyon!« Die schneidige Stimme passte zur Erscheinung des Mannes, der seiner misslichen Lage zum Trotz Haltung bewahrte. Obwohl er nicht groß war, schien er den Raum auszufüllen. »Ich bringe die Befehle von Major Duncanson. Aus Ballachullish.«
    Glenlyon schwankte. John saß wie ein zum Sprung bereites Tier. Der junge Captain löste eine Lederhülle von seinem Brustgurt, entnahm ihr einen gesiegelten Bogen Papier und hielt ihn dem anderen hin, der ihm mit winzigen Schritten entgegenkam. »Danke«, murmelte Glenlyon. »Danke, Captain Drummond.«
    Gleich darauf war der Spuk vorbei, die drei Rotröcke verschwunden, wie sie gekommen waren; nur eine Pfütze auf den Dielen verriet, wo sie gestanden hatten. Glenlyon war rückwärts bis zur Wand getorkelt, lehnte sich an und brach das Siegel. Er musste schwerer betrunken sein, als Sandy Og angenommen hatte, denn seine Arme und Schultern zuckten, seine Augen jagten über den Bogen und er duckte den Kopf. Als werde er geschlagen. Und als könne er nicht einen Schlag mehr ertragen, ohne in die Knie zu brechen.
    Es dauerte sehr lange, bis er den Kopf wieder hob und im Raum herumstarrte, ohne jemanden anzusehen.
    »Ist Euch nicht wohl?«, fragte der fürsorgliche Inverrigan.
    »Meine Befehle«, stieß Glenlyon heraus. »Ihr habt’s ja gesehen, nicht wahr? Meine Befehle sind gekommen, und da lässt sich ja jetzt nichts mehr machen.«
    »Heißt das, Ihr und Eure Männer brecht morgen in der Frühe auf?«, fragte John ohne jede Höflichkeit.
    »Ja, ja, in der Frühe. In der Frühe. Ich hab nun meine Offiziere zu verständigen.« Glenlyons Augen schienen blind zu sein. Am liebsten hätte Sandy Og eine Schüssel Schnee geholt, um den Mann damit auszunüchtern, hätte ihn erbrechen lassen und in ein Bett gesteckt. »Habt Dank.« Seine Stimme verschwamm. »Gott vergelte Euch Eure Gastfreundschaft und Güte.«
    Wie oft geschah ihm das noch in dieser Nacht? Sandy Og gab Glenlyon die Hand und lächelte. »Kein Grund zu so feierlichem Abschied, wir sehen uns ja noch morgen früh. Wenn es recht ist, brächte ich gern meine Jungen, damit sie

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