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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Handwaffen, Dirk und Poinard, in den Gurt gesteckt und sich Wasser ins Gesicht gespritzt.
    Es erwartete ihn, was er sich hatte ersparen wollen: das Bild der Frauen, die hinausgelaufen waren, um ihre Männer vor dem Aufbruch zu umarmen. Viele gingen barfuß, mit schlafzerzaustem Haar, hängten den Männern die Arme um den Hals und falteten ihnen wie im Gebet die Hände um die Nacken, als ertrüge keine dieser Frauen, käme auch nur ein Einziger dieser Männer nicht wieder. Um die Umschlungenen herum stolperte der arme Calum. Der ist allein wie ich.
    Sandy Og wollte nicht, dass der Anblick der Paare ihm wehtat. Ich habe mein Mädchen, meine Muirne, geraubt und konnte ihr nichts dafür geben. Wer sich seine Misere selbst zuzuschreiben hatte und sich obendrein bedauerte, war ein trüber Tropf.
    Eine schmale Gestalt drückte sich hinter den Stamm der Föhre, seine kleine Schwester Ceana, das lange schwarze Haar über die Wange gezogen. Sie war ein so liebevolles Geschöpf, hielt sich ständig bereit, Sarahs Stelle einzunehmen, damit nicht auffiel, dass bei Sandy Og etwas anders war. Er hätte ihr sagen müssen, sie solle damit aufhören, und zuweilen sagte er es ihr auch, aber gewiss nicht deutlich genug. Er hätte auch dafür sorgen müssen, dass sich ein Mann für sie fand, ein so guter, wie seine Schwester Gormal ihn bekommen hatte. Wenn ich wiederkomme, kümmere ich mich um Ceana , nahm er sich vor und wies sie mit einem Wink der Hand ab.
    Es gab anderes zu bedenken. William von Oranien hatte im November fünfzehntausend Mann mit nach Torbay gebracht, drei Divisionen aus Engländern, Schotten und Niederländern,und wichtiger als Gejammer war die Frage, wie viele von denen er gegen das Heer der Clans berufen würde. Als Knabe hatte seine Mutter, sooft Sandy Og in Tränen ausgebrochen war, gesagt: Tust du dir leid? Dann verpasst dir mein Riemen einen Grund dazu. Wenn er diesmal nicht achtgab, mochte das Leben ihm den Grund verpassen.
    Wie viele mochte Dundee hingegen zusammenbringen? Nach allem, was Sandy Og wusste, war der Adlige aus dem Tiefland, der wie ein Hochländer fühlte und keinen Verrat an einem Stuart-König duldete, nicht nur ein hochgelobter, sondern tatsächlich ein begnadeter Heerführer. Ein Mann wie er trieb seine Leute dazu, über sich hinauszuwachsen, er konnte die Schlagkraft einer Truppe von dreitausend Männern leicht auf das Doppelte erhöhen. Aber würde das reichen? Die Männer, die in der Senke versammelt waren und zwischen Frauen, Knechten und Pferden durcheinanderquirlten, brauchte er nicht zu zählen. Einhundertfünfzig kampffähige Männer bot Glencoe auf, von ihnen blieb ein Drittel im Tal zurück, um Frauen, Kinder und Vieh zu schützen.
    Diese Kerle, die jetzt ihre Targes , runde Schilde aus Holz, aufnahmen, Sättel und Zaumzeug prüften und mit den Frauen schäkerten, die sie umtanzten, galten als Geißel des Nordens. »Wenn sie losstürmen und ihr Gebrüll erschallen lassen, gefriert einem Christenmenschen das Blut«, berichteten englische Heerführer einander, »sie sind von riesigem Wuchs und stehen mit ihrer teuflischen Landschaft und ihrem abscheulichen Wetter im Bund.« Die safrangelben Hemden der Männer, ihre Plaids und Bonnets leuchteten in der verstohlenen Morgensonne. Mehrere Männer lachten. Eine der Frauen trug einen schlafenden Säugling im Arm.
    Sandy Ogs Blick schwirrte zur Seite. Wie immer um diese Zeit lag der Bidean nam Bian, Glencoes höchster Berg, im Nebel, schwarz glänzend und zerklüftet wie ein von Narben entstelltes Gesicht. Der Felsen teilte sich in drei Gipfel, die zuSchluchten abfielen, die die Drei Schwestern genannt wurden. Zwei davon bildeten zwischen sich einen Schlitz, der von keiner Seite einsehbar war und in Legenden als Versteck für geraubtes Vieh diente. Hatte der Teufel diese Landschaft geschaffen, um die Menschen in die Schranken zu weisen?
    Eine Handkante traf Sandy Ogs Arm. »Schläfst du schon wieder im Stehen? Sogar jetzt?« Sein Bruder, vor Erregung nur stoßweise atmend.
    Sandy Og zuckte mit den Schultern. »Ich denke nach.«
    »Spar’s dir!«, fauchte John ihn an. »Du hast noch nicht mal dem Stummen deinen Gaul abgenommen, stehst herum und lässt andere schuften. Soll Jamie Stuart etwa auf solche wie dich bauen?«
    Er hatte sich die Antwort nicht überlegt, sie schoss einfach aus Sandy Og heraus: »Vielleicht wäre das besser. Vielleicht bliebe er dann, wo er ist.«
    John ballte die Faust. Mit einem Schlag wich das gesunde Rot aus

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