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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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seinem Gesicht. »Bist du von Sinnen? Willst du, dass ich Vater wissen lasse, was du soeben gesagt hast?«
    »Ist dir das schon mal aufgefallen, John?« Jäh fühlte Sandy Og sich wieder elend müde. »Wir sind noch immer wie kleine Knaben, die den Schwanz einkneifen, wenn der Vater mit dem Stöckchen kommt.«
    »Deinem faulen Hintern bekäme der Stock nicht schlecht. Was soll das Kürbiskraut bedeuten, das du schwatzt?«
    »Dass wir nicht für das einstehen, was wir tun. Vielleicht ist es das, was sie im Tiefland verachten – wir sind die Clans, die Kinder des Chiefs, wir werden nie erwachsen. Der MacIain nimmt uns das Denken ab, und wir gehorchen. Wenn wir brav sind, winkt uns ein Lob, dann strahlen wir wie aufpolierte Stiefelkappen, und wenn etwas schiefläuft, setzt’s was aufs Fell, und hinterher ist alles wieder heil.«
    Er sah John ins Gesicht, sah die Zähne hinter den Lippen mahlen. Big Henderson, der Pfeifer, hörte auf zu blasen. Kurzherrschte Schweigen, in das der MacIain bald seine Befehle brüllen würde. Die Männer würden aufsitzen oder sich zu Fuß in die Reihe eingliedern, ihren Frauen Grüße zurufen und sich in Marsch setzen. Auf einmal hätte Sandy Og gern zurückgenommen, was er gesagt hatte, denn es war ja alles richtig, wie es war, und er wünschte nicht weniger als sein Bruder, dass es so blieb. Zögerlich drehte er sich um und ging zu den Pferden. Er wusste, dass er nicht ungeschoren davonkommen würde, und doch traf der Schlag ihn härter als erwartet.
    »Schlappschwanz!«, zischte sein Bruder. »Dich aufspielen kannst du, aber was spielst du daheim in deinem Bett? Du bist wie der Bannock deiner Campbell: Dir fehlt ein Stück.«
    Sandy Og gönnte John den Triumph. Nur eines durfte er nicht zulassen. »Sarah lass draußen. Andernfalls müsste ich dich hier und jetzt wachsweich prügeln.«
    Irgendwer lachte, dann ein anderer. Sandy Og spürte ihre Blicke in Nacken und Rücken und ging dennoch weiter. Er nahm dem Knecht, der ihm wie stets gleich auswich, seinen Schecken ab, legte dem Tier die Hand auf die Nüstern und tat, als prüfe er den Sitz des Zaums. Der Schecke bog den Hals, geiferte schaumig in Sandy Ogs Finger und suchte nach Leckerbissen. Sandy Og musste lachen. Er mochte den Schecken, hatte ihn aus einer Herde Jährlinge ausgewählt, weil er war, was er sich wünschte: ein mittleres Reittier, weder Heldenpferd noch Schindmähre, ein Hengst aus solider Zucht, den er würde formen können, während er sich selbst formte. In den vergangenen zehn Jahren hatten sie aus sich herausgeholt, was in ihnen steckte. Beide hatten sie nichts Besonderes zu bieten: ein gewöhnlicher Mann und ein gewöhnlicher Gaul, aber wenn sie ihr Gewöhnliches zusammengaben, wuchs es um mehr als das Doppelte.
    Sandy Og nahm dem Knecht sein Targe ab, schnallte es sich um und wollte schon aufsitzen, als er trotz des Lärms der Abschiednehmenden die Schritte hörte. Eine Hand schloss sichihm um den Nacken, ein harter Griff, den er nur allzu gut kannte. Daumen und Mittelfinger legten sich auf die empfindlichen Punkte an den Seiten seines Halses und drückten zu. Sandy Og wusste, dass erwartet wurde, dass er nicht aufschrie, nicht würgte, ja nicht einmal stöhnte. Zum Teufel damit! Weshalb fügte ein Mensch dem anderen Schmerzen zu, wenn er nicht wollte, dass der andere schrie?
    »Lass den Gaul, Kerl. Dreh dich um.«
    Sandy Og tat es, so gut es ihm die peinigende Klammer erlaubte. Sein Vater trug das wilde Haar nach hinten geworfen, dazu den gelben Mantel, an dem ein jeder ihn erkannte. In seinen Augen sah Sandy Og sich selbst: den Sohn, der nicht genügte.
    »Bist du von Sinnen? Fängst in einem solchen Augenblick Streit mit deinem Bruder an! Was glaubst du, was das mit der Moral meiner Leute tut? Kannst du dich nie beherrschen, nicht einmal, wenn die Welt um uns schwankt?«
    Du bist ungerecht , dachte Sandy Og und verachtete sich sogleich. Ein Mann von über dreißig Jahren sollte nicht so kindisch sein, schon gar nicht, wenn die Welt um ihn schwankte. Er zuckte mit den Schultern.
    Der Vater ließ seinen Nacken los und schlug ihn. »Wenn du wüsstest, wie ich dieses Gezucke hasse! Das hast du schon als Bub so oft getan, dass man daran närrisch wurde.«
    »Soll ich meine Frau kränken lassen, während halb Glencoe zusieht?«
    »Ach, Sarah!«, fuhr sein Vater auf. »Glaubst du wirklich, du bist dem armen Ding nichts Besseres schuldig, als ihretwegen mit John zu streiten? Kannst du ihr nicht anders beweisen,

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