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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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anderen Gälisch, und zudem erschien es Sandy Og nicht recht, einen Mann, der nicht verzeihen wollte, darum zu bitten.
    Sich auf den Aufprall einer Kanonenkugel vorzubereiten war lächerlich. Dennoch spannten sich seine Glieder, begannen vor Spannung zu zittern, selbst die Finger, die sich um die Zügel krümmten. Trotz der Hitze fröstelte er. So verstrich Zeit. Die gespannten Glieder fingen an zu schmerzen, und der Schmerzwurde unerträglich, als noch mehr Zeit verstrich. Beine, Arme, Schultern, alles lockerte sich. Ein Kribbeln bahnte sich durch seinen Körper. Er atmete auf.
    Beim nächsten Herzschlag gab General MacKay den Befehl zum Feuern.
    Dreifacher Kanonendonner. Es war laut, doch nicht ohrenbetäubend, und in Sandy Ogs Kopf mischte sich das Lärmen nicht zum Rauschen. Er hatte geglaubt, Dundee verlange Unmögliches von seinen Leuten: in unzureichender Deckung auszuharren, nicht mehr als ein, zwei Schüsse abzufeuern, Kämpfer zu Scharmützeln auszusenden und ansonsten stillzuhalten, während die Gegner auf sie feuerten. Aber es war möglich: Man konnte dem Feuer zusehen wie einem Kinderspiel vom Krieg. Mit dumpfem Laut prallte die Kugel der rechten Kanone auf den Schild von Ron Glenmoriston, der die äußerste Flanke seiner Einheit bildete. Der große Kerl stürzte hintenüber, zappelte wie ein Käfer mit den Beinen und rappelte sich wieder auf.
    »Bist du in Ordnung?«, brüllte sein Nebenmann.
    »Klar doch, ich schmeiß mich zum Vergnügen in den Dreck«, brüllte Ron zurück, versetzte der Kanonenkugel einen Tritt und hielt sich gleich darauf den Fuß. Die Kugel blieb liegen.
    Erneuter Donner brachte den Boden zum Beben, und eine weitere Kugel schlug so dicht vor ihnen auf, dass sich der Schecke bäumte. Sandy Og verlagerte sein Gewicht und brachte das Tier mit zwei Paraden wieder unter Kontrolle. Er nahm die Zügel kürzer, spürte das Malmen der Pferdezähne auf dem Gebiss, spürte, wie das Tier seine Kräfte in dem schweren Leib bündelte.
    Im nächsten Augenblick war der Spielkrieg zu Ende. Eine Salve ließ die Luft zerplatzen. Schreie gellten, Körper stürzten mit Gepolter zu Boden. Hinter Rauchwolken verschwamm die Ebene. Wie von fremder Hand gesteuert gab Sandy Og alles dran, sein Pferd festzuhalten, mit den Vorderhufen auf dem Boden und dem Maul am Zügel.
    MacKay hatte seinen Musketieren den Befehl zum Feuern erteilt. Der ersten Salve folgte eine zweite. Und wir stehen und lassen uns das Drittel nehmen, das Drittel von uns, das die Schlacht nicht überlebt. Reglos saß Sandy Og im Sattel, den Arm mit dem Schild vor Brust und Kopf, die freie Hand um die Zügel, die Schenkel um den Pferdeleib. Sein Herz schlug bis in den Hals. Drüben am Fluss brach eine neuerliche Salve los. Der heiße Tag stank inzwischen verbrannt, von allen Seiten hallten die Schreie der Getroffenen. Sarah, dachte Sandy Og, um das Geschrei zu übertönen. Sarah. Duncan. Ungläubig begriff er, dass er noch immer lebte. Und dass der Wunsch zu leben eine Lawine war, die alles begrub.
    Dundees Befehl erging gegen sieben Uhr, keine halbe Stunde vor Sonnenuntergang. Das Lied der Pfeifen war wie das Heulen, das den Orkan ankündigte: Wenn man es hörte, war es zu spät zu fliehen. Innerhalb von drei Atemzügen feuerten die Hochländer den einzigen Schuss in ihren Läufen ab, warfen Pistolen, Plaids und Bonnets von sich und stürmten den Hang hinunter. Manche ließen ihre Hemdzipfel flattern wie ihr Haar, andere knoteten sie sich im Laufen zwischen den Beinen zusammen. »Claymore!«, brüllten sie aus tausend Kehlen, zum Trampeln von tausend Paar Füßen und dem Sirren von tausend Schwertern: »Claymore!« Wer es nie erlebt hatte, musste wahrhaftig glauben, die Heerscharen der Hölle rollten auf ihn zu.  
    Der linke Flügel war geringfügig schneller als der rechte, wie Dundee angeordnet hatte, um für Verwirrung zu sorgen, und beide Flügel scherten aus, um MacKays Flanken mit sich nach außen zu treiben. Im selben Augenblick sprengte der Feldherr mit seinen Reitern auf das Herz von MacKays Linie zu.
    Sandy Og schien mit dem Schecken verwachsen zu sein. Er setzte über die Bodenwelle, trabte in knappen, bedachten Schritten den Hang hinab und fiel in Galopp, kaum dass die Vorderhufe in der Ebene aufsetzten. Sich in die Bewegungen des Pferdes neigend, zog Sandy Og sein Schwert.
    Er hatte all dies geübt, hatte Strohpuppen die Köpfe abgeschlagen und Gestelle aus Holz in Splitter gehauen; er hatte Gegnern blaue Flecken beigebracht,

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