Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne

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sie an der Wand bei der Tür, als ließe sich die Nachricht auslöschen, wenn sie sie nur nicht entgegennahm. Sie hielt auch den Jungen zurück, der vor Enttäuschung schrie. Doch auch wenn seine Mutter ihn kaum würde trösten können, sollte Duncan nicht allein sein, wenn jemand es ihm sagte.
    »Warum kannst du nie sein wie andere Mütter?«, schrie Duncan. »Warum bist du anders? Ich will nicht anders sein!«
    »Ich auch nicht.« Es fiel Sarah schwer, ohne zu zittern zu sprechen. »Schweig.«
    Sie konnten nicht hören, was der Bote den Wartenden mitteilte, nur den wie gepeitschten Jubel der Frauen und Kinder.
    »Ich bleibe nicht hier!« Duncan riss sich von ihr los, hob die Krücke auf und humpelte davon. Da wusste Sarah, dass der Bote: »Wir haben gesiegt«, gesagt hatte. Aber was bedeutete das schon? »Hoch Jamie Stuart, König von Schottland!«, johlten und sangen die von Glencoe.
    Wer ist mir Jamie Stuart?, dachte Sarah. Dieser Sieg hätte ihr so viel bedeuten sollen, doch in ihr hämmerte nur eine Frage: Sehe ich dich wieder, Sandy Og?
    Endlich steckte Gormal den Kopf zur Tür herein. »Kommst du nicht raus, um den Sieg unserer Männer zu feiern?«
    Nein, wollte Sarah antworten und dazu mit dem Fuß stampfen, dann aber überwand sie sich und ließ die Frage heraus, die sie quälte: »Leben sie, Gormal? Unsere Männer? Lebt dein James?«
    Gormal zog die Brauen hoch. »Ich weiß es nicht.«
    Mach das nicht noch einmal, wollte Sarah sie anfahren, sonst bröckelt dir die gemauerte Maske vom Gesicht. Was für eine Frau bist du, wenn du nicht weißt, ob der Bursche, der dir Kinder gemacht hat, steif und tot ist, und dazu nur die Brauen hochziehst? Wie kannst du feiern, obwohl du nichts weißt? Sie wünschte sich Duncan zurück. Willst du wahrhaftig, dass ich so bin? , wollte sie ihn fragen.
    »Keiner weiß etwas«, sagte Gormal. »Nur dass Dundee gefallen ist. Wir feiern trotzdem, weil unsere Männer wollen, dass wir feiern. Steht meinem Bruder das nicht zu? Glaubst du nicht, solch ein Sieg kommt diejenigen, die ihn erringen, teuer zu stehen?«
    Doch, dachte Sarah, das glaube ich – denn sie können nur sterben oder töten. Mit einem Mal fragte sie sich, was Sandy Og lieber täte, und sah ihn vor sich, wie er sich ducken musste, weil die Decke für einen langen Kerl wie ihn zu niedrig war.
    »Hoch, König Jamie«, jubelten Frauen und Kinder vor der Tür. »Hoch die Sieger von Killiecrankie!«
    »Sie kämpfen dafür, dass unsere Kinder leben können, wie wir gelebt haben«, sagte Gormal. »Das ist wichtiger als das andere. Geht das in deinen kleinen Schädel?«
    Was weniger wichtig war, sprach Gormal nicht aus, und doch wusste Sarah, was sie meinte. Und weil sich Duncan so verzweifelt wünschte, dass nichts anders wurde, nahm sie ihr Arisaid vom Haken und schlang es sich um.
    Draußen hatten ein paar Jungen zu fiedeln und zu flöten begonnen, und einige Frauen und Kinder tanzten das Gras platt. Der Schwere ihrer Schritte war anzumerken, dass ihnen noch der Schlaf in den Knochen steckte – und vielleicht auch die Angst. Krüge und Schüsseln wurden herbeigeschleppt, der ermattete Bote beköstigt, das Übrige herumgereicht. Sarah hätte unter den Tanzenden Ceana erwartet, aber sie sah sie nicht. Stattdessen sah sie Eiblin und John.
    Wie üblich hatte Eiblin sich John in den Arm geschmiegt, die Hand wie ein Brandeisen auf seinem Hintern. Neid stieg Sarah in die Kehle, bitter und giftig. Dabei wirkte John seit seiner Rückkehr in Eiblins Armen merkwürdig leblos, als bemerke er nicht, wie sie um ihn warb. Auch glich er kaum mehr dem wie aus der Eierschale gepellten Hochländer von früher; sein Haar gehörte gewaschen und seine Haut war aufgedunsen, weil er zu oft vom dreimal gebrannten Lebenswasser trank. Er war zurückgekehrt, doch etwas von ihm war nicht mitgekommen.
    Eiblin schien zu spüren, dass sie angestarrt wurde, und fuhr herum. Sarah hätte ihr ausweichen können, wie sie es in den letzten Tagen oft getan hatte, aber heute hielt der Neid sie ab. Was willst du? , fragte sie stumm in die vor Verachtung schmalen Augen. Du hast deinen Mann bei dir, kannst dich in der Nacht zu ihm rollen und ihm sagen, was du möchtest. Ich dagegen weiß nicht, ob ich meinen wiedersehe oder ob nach der Erinnerung, die schon verblasst, nichts mehr kommt.
    »Ist er tot?« Aufgeregt stolperte der uralte Calum von seinem Verschlag in den Kreis. Er stürzte vor den Boten hin: »Ist der tot, der Rote, ist der tot?«
    Der Bote