Glencoe - Historischer Roman
ihm den schillernden Rücken gestrichen. Er fühlte Tränen in sich aufsteigen, doch hätte er mit dem Mond gespielt oder haltlos geweint, wie es ihn drängte, hätte Sandy Og den Ekel vor sich selbst nicht mehr ertragen. Neben dem Ekel spürte er nichts, nur eine Leere, die ihm die Luft abdrückte und sein Herz dumpf pumpen ließ. Er suchte nicht nach seinem Vater. Der MacIain war ihm nie gleichgültig gewesen, jetzt aber hätte Sandy Og kaum zu sagen vermocht, wer sein Vater war.
»Denen haben wir das Laufen beigebracht, was? Geflitzt wie die Karnickel sind die!« Einer der irischen Reiter, den Sandy Og vage zu kennen glaubte, lenkte sein Pferd im Schritt auf ihn zu.
Sandy Og schwieg.
»Wenn König Jamie wiederkommt, macht er uns alle zu Rittern der Distel!« Der Reiter lachte. »Wirst sehen, dich macht er zum Baron, so wie du hier gewütet hast. Ein Geheimniskrämer bist du, hab ich recht? Wer dich beim Üben sieht, nimmt an, es fehle dir an Feuer, dabei hast du den reinsten Schwelbrand in dir. Und das mit diesem Teufelsding von Schwert.«
Sandy Og strich dem Schecken den Hals, das vom Schweiß verklebte Fell, immer vor und zurück. Der Gedanke an König Jamie erschien ihm unendlich weit hergeholt. Der Ire ließ sich aus dem Sattel gleiten, hob das Claymore ehrfürchtig auf und reichte es ihm. »Willst du nicht wissen, wie’s deinen Leuten ergangen ist?« Er wies zur Rechten, wo ein paar Männer vor dem Waldsaum Feuer entzündeten und bereits begonnen hatten, ein Lager aufzuschlagen. »Ich glaub, deinen Schwager hat’s erwischt – den, der die Kinderlieder gesungen hat, weil er seinen Jungen so vermisst.«
Die Worte glitten an Sandy Og vorbei. Mehrmals ließ er den Blick von einer Seite des Tales zur anderen wandern, bis sich allmählich Formen aus den Nebeln schälten und das Ergebnis der Schlacht im flackernden Licht lesbar wurde. MacKays Männer waren in alle Richtungen geflohen, einzelne Hochländer hatten ihre Verfolgung aufgenommen oder sich über Karren und Packpferde hergemacht, um Beute einzuheimsen. Andere bewegten sich wie geduckte Gespenster über das Schlachtfeld und klaubten aus der Erde, was von ihren Toten übrig war.
Ein Toter gehörte allen. Sie standen um ihn, beleuchteten mit ihren Fackeln sein Gesicht und heulten dabei lauter als Weiber. Aus Sandy Ogs Gedächtnis löste sich eine Erinnerung: Es hatte ein Missverständnis gegeben. Ein Trupp Reiter war zu weit nach der Flanke ausgeschert, und ihr Befehlshaber war ihnen in gestrecktem Galopp gefolgt. Ein Geschoss hatte genügt, um ihn zu fällen. Eines genügte immer.
Der Ire sah, was Sandy Og sah, wusste aber vermutlich nicht, was es bedeutete. »Unser Colonel Cannon hat das Kommando übernommen«, erklärte er, als sei das ein Trost.
Wer war Colonel Cannon? War er schön wie ein Junimorgen? Erkannte man ihn aus jedem Haufen heraus? Auf einmal glaubte Sandy Og die Stimme seines Feldherrn zu hören: Es hat mich gefreut, Eure Bekanntschaft zu machen. Eine unsägliche Traurigkeit überfiel ihn. Er nahm dem Iren sein Claymore ab, stieg vom Pferd und führte es zu den Männern um den Leichnam. Auch Lochiel und sein Vater waren dort. Mich hat es auch gefreut, mein General. Es hat mich von Herzen gefreut, Eure Bekanntschaft zu machen.
Morgen früh würde er sich um die Folgen dieses Todes sorgen müssen und hoffen, dass andere ihn unterstützten. Der so teuer bezahlte Sieg war nutzlos. Ein Heer wie dieses, das sich fortwährend in Gezänk erging, brauchte einen Mann von Überlebensgröße, damit es zusammenhielt. Ihn verloren zu haben hieß, dass sie ihren Weg nicht weitergehen konnten. Sie mussten umkehren, auch wenn das für diese Männer bedeutete, ihren König, ihr Land und sich selbst zu verraten. Doch das würde er morgen bedenken, heute Nacht sollte nichts Raum haben als der Tote, Bonnie Dundee, Viscount Graham von Claverhouse, geboren im Tiefland, gestorben in Killiecrankie.
Und Sarah, der er jetzt nichts mehr sagen wollte.
Der Tag stieg glänzend aus den Morgennebeln, als der Bote am Black Mount eintraf. Er musste die Nacht hindurch geritten sein, was selbst im Sommer kein Hochländer wagte, wenn seine Nachricht auch nur den geringsten Aufschub duldete. Diese duldete offensichtlich keinen. Die Kinder ließen ihre Milchsuppe stehen und stürzten aus den Hütten. Barfuß, mit ungekämmten Schöpfen eilten ihnen Mütter und Großmütter hinterdrein.
Sarah wäre gerne bei ihrem Waschzuber sitzen geblieben. Stattdessen verharrte
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