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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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einzuschüchtern, wenn sie die Wahrheit sagen.« Sie schwieg.
    »Das ist seltsam«, sagte sie nach einer Weile.
    Sie dachte wieder nach. Dann schien sie zu einem Entschluss zu kommen.
    »Kannst du schweigen, Mopple?«, fragte sie.
    Mopple the Whale schwieg.
    Maple erzählte ihm von dem Hufabdruck auf Georges Bauch.
    »Irgendein Schaf ist sehr fest auf Georges Bauch gestiegen«, sagte sie. »Oder hat ihn getreten. Das lässt sich schwer sagen. Die wichtige Frage ist: wann. Vor seinem Tod? Vielleicht. Aber nicht lange davor, dafür war der Abdruck zu deutlich. Das bedeutet …«
    Mopple sah sie gespannt an.
    »Das bedeutet, dass kurz vor oder nach seinem Tod ein Schaf bei George war. Oder während seines Todes. Ein kräftiges Schaf. Oder ein schweres.« Sie sah Mopple kurz an. »Aber warum sollte ein Schaf George treten? Hat es sich gegen ihn gewehrt? Wie bei der Kalziumtablette?«
    Mopple dachte an die Kalziumtablette und schlackerte mit den Ohren.
    »Aber das Seltsamste«, sagte Maple, »das Seltsamste ist, dass dieses Schaf uns nichts davon erzählt hat. Warum? Entweder es hat alles vergessen …«
    »Ritchfield!«, blökte Mopple. Dann machte er ein verlegenes Gesicht. Schließlich hatte er versprochen zu schweigen. Aber Miss Maple war viel zu konzentriert, um darauf zu achten.
    »… oder es will nichts erzählen.«
    »Mopple«, sagte Maple. Sie sah Mopple ernst an. »Wir müssen darüber nachdenken, ob ein Schaf etwas mit Georges Tod zu tun haben könnte. Nicht nur die Menschen verhalten sich seltsam. Auch einige von uns. Sir Ritchfield. Othello. Er hat uns zwar von dem Todesgarten erzählt. Aber warum er sich dort herumgetrieben hat, wissen wir nicht. Wir wissen so wenig von Othello. Wir wissen nicht, was George mit ihm abends hinter dem Schäferwagen gemacht hat. Wir müssen über alles nachdenken, Mopple.«
    Mopple schluckte. Er schwieg.
    Als beide wenig später zurück in den Heuschuppen kamen, waren alle Schafe hellwach. Aufregung lag in der Luft.
    »Was ist?«, fragte Miss Maple.
    Die Schafe schwiegen lange. Dann trat Maude vor. Das Mondlicht zog ihre Schafsnase bedrohlich in die Länge.
    »Heide hat ein Ding!«, sagte sie.

6
    So begann die Nacht der vielen Ereignisse, die noch Monate später von den Schafen beblökt wurde. Sie begann damit, dass Heide in einer Ecke stand, stumm vor Scham, die Augen der ganzen Herde ungläubig auf sich gerichtet.
    »Ein Ding?«, platzte Mopple heraus.
    »Ein Ding?«, hauchte Cordelia.
    »Was ist ein Ding?«, fragte ein Lamm. »Kann ich auch so ein Ding fressen? Tut es weh?« Seine Mutter schwieg verlegen. Wie konnte man einem so jungen Lamm erklären, was ein Ding ist?
    »Es … es ist nicht wirklich ein Ding«, murmelte Heide. Sie hatte den Kopf gesenkt und sah ein wenig störrisch aus. »Es ist schön.«
    »Kann man es essen?«, fragte Mopple. Wenn es um Dinge ging, konnte Mopple the Whale so streng sein wie jedes andere Schaf.
    »Ich glaube nicht.« Heide ließ die Ohren hängen.
    »Lebt es?«, fragte Zora.
    »Ich … Vielleicht!« Man konnte Heide ansehen, dass ihr diese Möglichkeit gerade eben eingefallen war. »Ich wollte herausfinden, ob es lebt. Wenn das Licht darauf fällt, bewegt sich etwas. Es ist so schön. So schön wie Wasser. Ich wollte es nur immer wieder sehen können …«
    »Heide!« Sir Ritchfield trat vor. Er trug den Kopf sehr hoch, und seine Hörner, die schon in ihre dritte Windung getreten waren, gossen einen vorwurfsvollen Mondlichtschatten vor Heides Füße. Othello sah ihn seltsam an. Man konnte auf einmal verstehen, warum Ritchfield noch immer der Leitwidder war.
    »Alles, was wirklich schön ist, kannst du immer wieder sehen. Den Himmel. Das Gras. Die Wolkenschafe. Sonne auf der Wolle. Das sind die wichtigen Sachen. Haben kannst du sie nicht.« Ritchfield sprach jetzt, wie er zu einem sehr kleinen Lamm gesprochen hätte. Er sagte, was ohnehin alle wussten, aber die Schafe waren ergriffen.
    »Haben kannst du nur das, was lebt. Ein Lamm, eine Herde. Wenn du etwas hast, hat es dich. Wenn es lebt und ein Schaf ist, ist das gut. Schafe sollen einander haben. Die Herde soll zusammenbleiben, Mutterschafe und Lämmer und Widder. Kein Schaf darf die Herde verlassen … Eine Dummheit, eine solche Dummheit … Ich hätte meinen Mund halten sollen, hätte ich bloß meinen Mund gehalten …« Jetzt hatte sich Ritchfield vergaloppiert. Er blickte an Heide vorbei und murmelte vor sich hin. Heide machte wieder ihr trotziges Jungschafsgesicht und wollte

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