Glennkill: Ein Schafskrimmi
überfahren hatte und ein großer roter Hund hinter ihr hergehetzt war. Dann hatte sie sich unter dem Ginster vor Georges Haus versteckt und zugehört, was durch das offene Fenster gesprochen wurde. Die Schafe bestaunten Maples Mut.
»Hattest du denn gar keine Angst?«, fragte Heide.
»Doch«, gab Miss Maple zu. »Schreckliche Angst. Ich habe so lange gebraucht, weil ich mich nicht mehr aus dem Ginsterbusch herausgetraut habe. Aber ich habe vieles gehört.«
»Ich hätte keine Angst gehabt!«, erklärte Heide mit einem Seitenblick auf Othello. Die anderen Schafe interessierten sich mehr dafür, was Maple gehört hatte.
Miss Maple berichtete, wie ab Mittag viele Menschen zu Kate gekommen waren – nicht alle auf einmal, sondern in kleinen Grüppchen oder alleine. Alle sagten das Gleiche. Dass es schrecklich sei. Ein furchtbares Unglück. Dass Kate jetzt stark sein müsse. Kate antwortete kaum, nur »ja« und »nein« und »ach« und heulte in ein großes Tuch. Aber dann – sehr spät am Abend – hatte es noch einmal geklopft, und Lilly stand vor der Tür. Da hatte Kate nicht geheult. »Du wagst es!«, sagte sie zu Lilly. »Ich wollte nur sagen, dass es mir Leid tut«, flüsterte Lilly. » Du hast ihn wenigstens nicht bekommen«, fauchte Kate und knallte Lilly die Tür wieder vor der Nase zu. »Wie eine böse Katze«, sagte Miss Maple. »Genau wie eine böse Katze.«
Es überraschte die Schafe nicht wirklich. Auch die Pamelas in den Romanen hatten sich oft unverständlich und boshaft verhalten. Sie verloren schnell das Interesse an der kleinen Geschichte, die Miss Maple anscheinend so fasziniert hatte. Sie hatten schließlich andere Sorgen.
»Hattet ihr einen schönen Tag?«, fragte Maple seufzend, als sie merkte, dass sich niemand mehr für ihr Abenteuer interessierte. Die Schafe machten betretene Gesichter. Sie erzählten, was heute passiert war.
»Er hatte ein Auge offen«, sagte Lane.
»Der Metzger lag am Strand«, ergänzte Maude.
»Mopple hat uns keine Geschichte erzählt«, sagte Heide und sah böse zu Mopple hinüber.
»Er sah ganz flach aus«, sagte Sara.
»Wir haben uns gestritten«, sagte Cordelia.
»Sir Ritchfield hat uns gezählt«, sagte Ramses.
»Die jungen Männer haben ihn mitgenommen«, sagte Zora.
Miss Maple seufzte. »Mopple soll erzählen«, sagte sie.
»Mopple war weg«, sagte Cordelia. Maple sah erstaunt aus.
»Othello war weg!«, seufzte Heide. Miss Maple sah Othello fragend an.
Othello erzählte von dem seltsamen Garten und von George, den sie in einer Kiste vergraben hatten. Ein Raunen ging durch die Herde.
»Sie haben keine Grube, aber die Toten verwesen auch nicht einfach. Es sieht eher aus wie ein Garten, kein Gemüsegarten, aber ein Garten und sehr ordentlich. Und wisst ihr, wie der Garten heißt?« Othello blickte mit funkelnden Augen in die Runde.
»Der Garten heißt Gottes Acker!«
Die Schafe starrten sich entsetzt an. Ein Garten, in dem Tote gesät wurden!
»Er war’s«, murmelte Ritchfield. Maple äugte zu dem Widder hinüber. Er sah alt aus, viel älter als sonst, und seine schraubenartig gewundenen Hörner schienen zu schwer für ihn.
»Sie waren nicht besonders traurig, die Menschen«, fuhr Othello fort, »aufgeregt, ja, sehr aufgeregt, aber nicht traurig. Nervös. Schwarz und geschwätzig wie die Raben, und wir wissen alle, was Raben fressen.« Die Schafe nickten mit ernsten Gesichtern. »Der Metzger war nicht da, darüber haben sie sich gewundert. Jetzt werden sie sich darüber nicht mehr wundern.«
Othello dachte nach. »Sonst waren alle da, Kate und Lilly und Gabriel. Tom, Beth und Gott und viele, die wir nicht kennen. Der dürre Mann, der mit den anderen dreien zuerst zu George gekommen ist, heißt Josh Baxter. Er ist der Wirt.«
Alle sahen Miss Maple an. Aber die kluge Schafsdame rieb nur nachdenklich ihre Nase an einem Vorderbein. Die Schafe waren enttäuscht. Sie hatten sich die Suche nach dem Mörder spannender vorgestellt, einfacher und vor allem schneller. Wie in den Pamela-Romanen, wo kurz nach jedem geheimnisvollen Todesfall ein ebenso geheimnisvoller Fremder aufzutauchen pflegte, mit hagerem, vernarbtem Gesicht oder unruhigen kalten Augen.
Meistens wollte er Pamela für sich haben, und spätestens nach zwei oder drei Seiten hatte ihn ein gut aussehender junger Mann im Duell erledigt. Doch hier schien es sich eher um einen Krimi zu handeln. George hatte das Buch bald weggeworfen. Damals waren sie enttäuscht gewesen, aber jetzt überlegten
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