Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
Vom Netzwerk:
damals gelacht! »Er konnte seinen eigenen Namen nicht mehr sagen, und am Ende hat sich eine Fliege in sein Auge gesetzt, und er hat nicht mal geblinzelt.«
    »Josh hat sein Geld gekriegt, für jedes einzelne Glas, und noch einiges mehr … So möchte ich jedenfalls nicht verdroschen werden.« Der Schwitzende kicherte. Er ging den anderen beiden auf die Nerven.
    »Wenn Ham aufwacht, wird er sich erinnern«, sagte der mit dem rasselnden Atem. »Dann geht das Spielchen weiter!«
    Sie schwiegen. Vielleicht nickten sie. Dann entfernten sie sich in drei Richtungen. Die Angst lächelte, sie drehte sich mit einer eleganten Bewegung, ihre Mähne wehte um den Stamm der alten Linde. Sie folgte allen dreien nach Hause.
    Die Linde war sehr alt. Früher hatte sie in der Mitte des Dorfes gestanden, und die Menschen hatten sie umtanzt. Sie hatten ihr Blutopfer gebracht, und die Linde war gediehen. Sie hatte vielleicht noch Wölfe gesehen, mit Sicherheit aber Wolfshunde, mit denen die neuen Herren Wild und Vieh und Menschen jagten. Heute stand sie einsam, das Dorf war an ihr vorübergezogen. Sie gedieh noch immer. Ihr Stamm maß mehr als zwei Schafslängen. Hinter diesem Stamm stand Mopple the Whale. Er war hierher gekommen, weil er sich unter dem Baum sicher fühlte. Wie in einem Stall war es hier. Er war nicht geflohen, als die Männer kamen. Mopple wusste jetzt, dass Fliehen keinen Sinn hatte. Er war einfach ruhig stehen geblieben und hatte weitergekaut. Und er hatte sich jedes Wort gemerkt.
    Mopple dachte nicht an die drei, auch nicht an den Metzger – bloß nicht an den Metzger! Mopple dachte an die Angst. Die Männer hatte er nicht gesehen, und er wusste nicht viel von ihnen, nur die Gerüche und Töne, die durch dichtes duftendes Laub bis zu ihm gekrochen waren. Aber Mopple hatte die Angst gesehen, jede ihrer sparsamen Bewegungen, so klar, als wäre der Stamm der alten Linde aus Wasser. Sie war größer als ein Schaf, und sie lief auf vier Beinen. Ein großes, starkes Raubtier mit seidigem Fell und klugen Augen. Mopple hatte sich nicht gefürchtet vor dieser Angst, es war ja nicht seine Angst gewesen.
    Ein Vogel begann zu singen. Ein Nachtvogel. Es wurde langsam Abend. Mopple dachte an die anderen Schafe und hörte auf zu kauen. Er sehnte sich auf einmal nach seiner Herde, so sehr, dass die dichte Wolle hinter seinen Ohren zu jucken begann. Es wurde Zeit, dass ein anderes Schaf seinen Nacken benagte – das war wichtiger als fremde Tiere und brüllende Metzger. Natürlich erinnerte sich Mopple an den Weg, den er heute Morgen im Nebel genommen hatte, und seine Ohren wippten fröhlich auf und ab, als er nach Hause trabte.
     
    *
    Mopple kam erst in der Abenddämmerung. Er schien nachdenklicher als gewöhnlich, und er kam ihnen dünner vor. Nicht so, dass man es sehen konnte, aber so, dass er sich anders bewegte. Einige Schafe liefen ihm freundlich blökend entgegen. Erst während seiner Abwesenheit war ihnen klar geworden, wie gern sie Mopple the Whale eigentlich hatten. Er roch ganz besonders gut, so wie nur ein rundum gesundes Schaf mit prächtiger Verdauung riechen kann, und er wusste die schönsten Geschichten. Sie bestürmten ihn mit Fragen, aber Mopple war so schweigsam, wie sie ihn noch nie erlebt hatten. Ein schrecklicher Verdacht lag in der Luft, der Verdacht, dass Mopple sich nicht richtig erinnerte. Aber niemand wagte, das auszusprechen. Mopple stellte sich dicht neben Zora, und Zora beknabberte gedankenverloren, aber nicht unfreundlich, seinen Nacken.
    Es wurde dunkel. Trotzdem blieben die Schafe im Freien. Sie warteten auf Miss Maple. Aber Miss Maple kam nicht. Erst als ein runder Mond hoch am Himmel stand, näherte sich von der Heide her eine kleine Schafsgestalt. Ein langer dünner Mondschatten trabte ihr voran. Es war Maple. Sie sah erschöpft aus. Cloud leckte ihr freundschaftlich das Gesicht.
    »In den Heuschuppen mit euch«, sagte Maple.
    Im Schuppen drängelten sich alle Schafe um sie herum. Durch die schmalen Belüftungsluken fiel Mondlicht auf gespannte Schafsgesichter. Miss Maple lehnte sich an Cloud und machte es sich bequem.
    »Wo warst du?«, fragte Heide ungeduldig.
    »Ermittlungen«, sagte Miss Maple. Die Schafe wussten, was Ermittlungen waren, sie kannten das Wort aus dem Krimi. Bei Ermittlungen steckt der Detektiv seine Nase in fremde Dinge und gerät in Schwierigkeiten.
    Miss Maple erzählte, wie sie ganz alleine den Weg zu Georges Haus getrabt war. Mitten durch das Dorf, wo ein Auto sie fast

Weitere Kostenlose Bücher