Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
Vom Netzwerk:
hatte Melmoth ihn wiedergefunden. Othello war unzufrieden. Er wusste nicht, was er tun sollte. Freudig auf ihn zustürmen, so wie Sir Ritchfield? Melmoth hatte Othello Geduld beigebracht, ihn gelehrt, von Wasser und Feuer zu lernen, die Schleimspur der Schnecke zu betrachten, Wut und Furcht in die Welt zurückzujagen, wo sie herkamen, er hatte ihm gezeigt, wie man Gedanken beobachten konnte. Melmoth hatte ihm das Kämpfen beigebracht. Seine Stimme hatte Othello begleitet und ihm mehr als einmal das Leben gerettet.
    Aber Melmoth hatte ihn auch zurückgelassen, allein mit dem grausamen Clown. »Manchmal ist Alleinsein ein Vorteil«, schnaubte Othello wütend. Von allen Dingen, die Melmoth ihm gesagt hatte, hatte er nur diesen einen Satz niemals geglaubt.
    Unfähig, zu einer Entscheidung zu kommen, hatte Othello sich bisher vor Melmoth versteckt, so gut es ging. Oh, Melmoth wusste, dass er hier war, darüber hatte Othello keinerlei Illusionen. Aber aus irgendeinem Grund hatte sich der Graue dafür entschieden, ihn in Ruhe zu lassen. War Othello ihm einfach egal – eines von unzähligen Schafen, die seine einsamen Wanderungen gekreuzt hatten, versunken in einer gesichtslosen Herde, die Melmoth nicht weiter interessierte? Von allen Möglichkeiten kam Othello diese am schrecklichsten vor.
    Aber jetzt hörte er dem furchtsamen Gewisper seiner neuen Herde zu – seiner ersten richtigen Herde – und begann, sich Sorgen zu machen. Was, wenn es stimmte, dass George Melmoth früher einmal auf Leben und Tod gejagt hatte, wie in der Herde geraunt wurde? Was dann? Wenn er in der Zeit beim Zirkus eines gelernt hatte, dann, dass Melmoth zu allem fähig war.
     
    *
    Auch Miss Maple überlegte fieberhaft. Sie glaubte keinen Moment daran, dass Melmoth ein Geist war. Aber konnte er nicht etwas mit Georges Tod zu tun haben? Was wusste Ritchfield? Maple war sich sicher, dass Ritchfields seltsames Verhalten in den letzten Tagen mit Melmoth zu tun haben musste.
    Als Melmoth gerade unter dem Krähenbaum eingedöst war, hielt es Maple nicht länger aus. Mit entschlossenen Schritten weidete sie sich neben Sir Ritchfield.
    »Wer hätte gedacht, dass Melmoth überlebt hat«, sagte sie beiläufig.
    Ritchfield schnaubte belustigt. »Ich«, sagte er, »ich habe ihn gespürt. In der Regennacht. Zwillingsgespür. In der Regennacht wusste ich, er ist zurückgekommen. Von da an habe ich gewartet.«
    »Aber uns hast du nichts gesagt«, sagte Maple.
    Ritchfield schwieg.
    »Uns hast du immer erzählt, dass du seinen Tod an Georges Händen gerochen hast«, bohrte Maple.
    »Ich habe den Tod an Georges Händen gerochen«, sagte Ritchfield nachdenklich. »Dann war es wohl ein fremder Tod.«
    »Oder beinahe ein Tod«, sagte Maple. »Vielleicht ist Melmoth entkommen, mehr tot als lebendig. Er muss sehr wütend auf George gewesen sein …«
    Ritchfield schwieg. Miss Maple rupfte ein Büschel Löwenzahn.
    »Du hast uns nichts erzählt«, sagte Miss Maple, als sie fertig gekaut hatte. »Du hast Mopple eingeschüchtert, weil du dachtest, er hätte etwas von Melmoth mitbekommen. Damit er nichts verrät. Warum?«
    Ritchfield machte ein bekümmertes Gesicht. »Es war nicht richtig, Mopple the Whale einzuschüchtern«, sagte er. »Aber ich dachte …«
    Miss Maple hielt es nicht mehr länger aus. »Du dachtest, dass Melmoth vielleicht etwas mit Georges Tod zu tun haben könnte. Ein so seltsames Verhalten, sich nachts heimlich auf die Weide zu stehlen, und das ausgerechnet nach Georges Tod. Du konntest dir denken, dass damals in der Nacht nach Melmoths Flucht etwas Schreckliches passiert sein musste. Melmoth könnte die Wut darüber noch immer mit sich herumtragen, nicht wahr? Du hast dich entschlossen, Melmoths Ankunft geheim zu halten.«
    Maple hob selbstbewusst den Kopf. Eine richtige Schlussfolgerung. Aus Indizien. Genau wie in dem Krimi. Sie war stolz auf sich. An Ritchfields betretenem Gesicht konnte sie erkennen, dass sie es genau getroffen hatte.
    »Ich wollte ihm helfen«, sagte Ritchfield. »Zwilling für Zwilling.«
    »Zwilling für Zwilling«, schnaubte Melmoth, der plötzlich auf der anderen Seite von Miss Maple aufgetaucht war. Maple blickte zwischen den beiden Widdern hin und her. Egal wie sie den Kopf drehte, immer stand derselbe Widder vor ihren Augen. Es tat dem Verstand weh. Es machte sie schwindlig.
    Melmoth sah Ritchfield scharf an. »Wut auf George?«, schnaubte er. »Elsterngeschwätz. Windgeheul. Lämmergefasel. Magst du mitkommen in die Nacht,

Weitere Kostenlose Bücher