Glenraven
Aidris fort, »… wenn ihr alle zugleich hindurchgestürmt wärt, hättet ihr wahrscheinlich alles besiegt, was sich euch in den Weg gestellt hätte… und mit Sicherheit einen Kin und zwei schwächliche Machnan.«
Der Warrag räusperte sich. »So habt Ihr unsere Beute nicht beschrieben, Herrin«, sagte er und brachte es irgendwie fertig, zurückhaltend zu klingen, als er Aidris korrigierte. »Ihr habt gesagt, die beiden Machnan-Frauen seien mächtige und tödliche Zauberer - von Matthiall brauchten wir keine Beschreibung. Wir wissen, wie gefährlich er ist. Wenn wir alle auf einmal hineingestürmt wären, dann wären wir jetzt vielleicht alle tot und niemand hätte Euch Bescheid geben können.«
»Das habt ihr zumindest geglaubt.« Aidris hatte das Bedürfnis, alle drei auf der Stelle umzubringen. Diese verlogenen Feiglinge! Anschließend würde sie die restlichen Mitglieder der Jagdgruppe zusammentreiben und kurzen Prozeß mit ihnen machen.
Aber die Zeit war noch nicht reif. Aidris brauchte sie noch, damit sie die Stelle fand, wo die Barriere war. Sie würde ihre Wächter mitnehmen. Und wenn Aidris die Magier gefunden hatte, dann würde sie die beiden Frauen an die Wächter verfüttern - und die Jäger gleich mit.
»Bringt mich dorthin, wo ihr sie gesehen habt«, befahl sie.
»Tageslicht… « widersprach der Warrag, aber Aidris brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Ich werde Dunkelheit herbeirufen, so daß ihr gefahrlos reisen könnt. Der Tag nähert sich bereits seinem Ende. Das Herbeirufen der Finsternis wird mich nicht übermäßig anstrengen.«
Die Jäger blickten sich nervös an. Aidris lachte leise in sich hinein. Es war klug von ihnen, sie zu fürchten. Aber sie hatten ihre Herrin nicht genug gefürchtet, als es sie noch hätte retten können.
Aidris überlegte, ob sie die Wächter sofort herbeirufen sollte, aber sie entschied sich dagegen. Sie wurden immer so unruhig und unberechenbar, wenn man sie zwang, sich längere Zeit in der Nähe von Nahrung aufzuhalten. Sie könnten der Reise überdrüssig werden und Aidris’ Jagdgruppe verschlingen, bevor sie am Ziel angelangt war. Aidris entschied sich zu warten, bis sie Matthialls Versteck gefunden hatte. Dann würde sie die Wächter rufen, und sie könnten ihren Spaß haben.
»Wartet hier«, befahl Aidris und ging aus dem fensterlosen Raum hinauf in die Zauberkammer. Sie sah hinaus in den heftigen Regen, der mit hämmerndem Geräusch auf das metallene Dach des Turmes prasselte.
Aidris hob eine Hand, griff in den Himmel und zog die Wolken zusammen. Reine Macht durchströmte sie. Zwischen den einzelnen Wassertropfen spannte sie ein Netz aus Dunkelheit. Es kostete Aidris eine Menge Energie, die unnatürliche Finsternis aufrechtzuerhalten. Aidris verband sich mit der Dunkelheit. Sie würde ihr jetzt folgen, und diejenigen, die mit ihr gingen, würden nicht mehr durch die Berührung des Tageslichts verbrennen.
Aidris lächelte, als sie daran dachte, wie sie sterben würden.
Am besten würde sie mit ihrer gesamten Armee reisen. Es war zwar unwahrscheinlich, daß Matthiall und seine beiden Machnan-Magier Aidris und ihren Wächtern gewachsen waren, aber Selbstüberschätzung hatte schon so manches mächtige Reich zerstört. Aidris würde nicht zulassen, daß irgend etwas auch nur die kleinste Gelegenheit bekam, sie zu zerstören.
Sie schloß die Augen und atmete tief durch, als eine weitere Welle magischer Energie über sie hereinbrach. Aidris sandte eine Nachricht an ihre Truppen - einen unwiderstehlichen Drang, sich sofort mit ihr am Tor von Cotha Faldan zu treffen. Während Aidris sich bereit machte, würden ihre Krieger sich unten versammeln. Mit ihrer Armee, den Wächtern und ihrer Macht im Rücken hatten Matthiall und die beiden Machnan keine Chance gegen sie. Mit ihnen würde der letzte Widerstand gegen Aidris’ ewige Herrschaft sterben.
KAPITEL FÜNFZIG
Sie wollten einfach nicht zuhören. Yemus schlug mit der Faust auf das Spielbrett. Die kleinen, sich bewegenden Bilder zersprangen in Tausende regenbogenfarbene Splitter, die gegen die Wand geschleudert wurden und dann verschwanden. Nicht einmal Torrin, sein eigener Bruder, wollte ihm zuhören. Yemus hatte ein Bild von sich geschaffen, war vor seinem Bruder auf die Knie gefallen und hatte ihn angefleht zuzuhören. Aber Torrin hatte nur erwidert, er solle für alle Ewigkeit in Scham versinken.
Sie glaubten, die Einsamkeit der Gefangenschaft hätte Yemus zerbrochen und er wäre
Weitere Kostenlose Bücher