Glenraven
würdest trotz all meiner Mühen auch sterben, und ich kann es mir nicht leisten, dich zu verlieren.«
Auch? Wer war gestorben? »Eee i ooo?« fragte sie durch den Knebel. Es klang nicht sehr nach: »Wer ist tot?«, aber Callion schien sie zu verstehen.
»Aidris hat deine Freundin Sophie schon umgebracht.« Er zuckte die Schultern, eine ungelenke Bewegung seiner dachsartigen Gestalt. »Spielt keine Rolle. Ich konnte sie sowieso nicht brauchen.«
Er wandte Jayjay den Rücken zu und begann an einem Tisch zu arbeiten, der mit Fläschchen, Kanistern und einer ganzen Reihe von kalten blauen Flammen bedeckt war, die beständig aus den Spitzen von Kupferdrahtrollen schossen. Ein Wesen, das ihm sehr ähnlich sah, stand an einer Seite. Sein Blick wanderte zwischen Callion und Jay hin und her.
Tot? Sophie war tot? Jay versuchte diesen Gedanken zu fassen, aber ihr Verstand weigerte sich, ihn zu akzeptieren. Sophie war ihre ›Aller-allerbeste Freundin‹, der Mensch, der einige der größten Augenblicke ihres Lebens mit ihr geteilt hatte. Sophie konnte nicht - konnte einfach nicht - tot sein.
Aidris. Aidris Akalan hatte sie getötet.
Callion wandte sich wieder an Jay. »Dich brauche ich allerdings. Nach jedem Orakel, das ich befragen konnte, sollst du die nächste Schutzherrin von Glenraven sein. Da ich nicht die Absicht habe, zuzusehen, wie meine Welt in den Händen eines Außenseiters wie dir in Scherben zerbricht, muß ich uns beide aneinander binden. Ich werde dich zu meiner Eyra machen, so wie es Matthiall vorhatte. Damit werde ich Schutzherr, und die Kontrolle über Glenraven fällt wieder in die Hände der Aregen zurück, wo sie auch hingehört.« Jay wünschte sich, sie könnte sein Gesicht sehen. Er klirrte mit Glas, schüttelte irgendein Pulver in einen Becher und goß etwas scheußlich glitschig Grünes darauf. Dann sah er zu, wie sich das Gebräu von grün über dunkelblau in schwarz verfärbte und aufzuschäumen begann.
Sophie war tot?
Callion nahm einen Glasstab und rührte seine Mixtur heftig um. »Sobald du und ich in Cotha Faldan eingesetzt sind, werde ich mir natürlich überlegen müssen, was ich mit dir mache. Ich kann dich nicht töten, ebensowenig wie ich Matthiall töten kann, jetzt, wo er sich an dich gebunden hat. Sobald ich euch beide voneinander trenne, wird er sterben. Wer weiß, vielleicht irre ich mich, und vielleicht ist er schon tot. Ist nicht wichtig. Entweder er ist schon tot, oder er wird sterben, und wieder ein Problem gelöst. Aber du… du bist eine Katastrophe. Du hast nicht mehr Magie als ein Stein, und du sollst die nächste Schutzherrin sein. Ich kann es schon vor mir sehen. Du würdest Glenravens letztes Quentchen Magie ausradieren und unsere Welt in eine Kopie deiner eigenen stinkenden Maschinenwelt verwandeln.«
Jay zerrte an den Stricken, mit denen ihre Handgelenke gefesselt waren, ohne ein Geräusch zu machen. Sie mußte weg von hier, mußte Sophie und Aidris Akalan finden. Wut tobte in ihr. Sophie hatte es nicht verdient zu sterben. Sie hatte ihr Leben noch vor sich. Sie war dabei, ihren Weg zurück aus der Dunkelheit zu finden. Jay wollte Aidris dafür büßen lassen, was sie getan hatte.
Und sie wagte es auch Callions wegen nicht, untätig zu bleiben. Er hatte gesagt, er wolle das Band zwischen ihr und Matthiall durchtrennen und daß Matthiall dann sterben würde. Ein Teil von ihr - der rationale, Maschinenwelt-Teil - bestand darauf, daß das Unsinn war. Ein anderer Teil von ihr allerdings, der Teil, der Glenraven auf den ersten Blick ins Herz geschlossen und es Zuhause genannt hatte, sagte ihr, daß es nichts als die reine Wahrheit war. Falls Callion irgendwie das mystische Band zwischen ihnen durchschnitt, würde Matthiall, den sie liebte, sterben.
Nein. Das durfte nicht geschehen.
Aber Callion hatte sie zu gut gefesselt. Während sie sich abmühte, spürte sie, wie die Stricke sich immer weiter zuzogen, bis sie aufgeben mußte. Sie hatte die Blutzirkulation in ihren Händen und Füßen völlig abgeschnitten.
»Vielleicht kann ich dich in der Aptogurria einmauern«, sagte Callion. »Oder vielleicht sollte ich dich einfach töten. Die Aregen sind schließlich nicht an die Eide der Kin gebunden, die bei der Eyran -Zeremonie abgelegt werden.« Er fügte noch etwas in sein Gebräu, das daraufhin wasserklar wurde. Blasen stiegen auf, sprudelten und zerplatzten an der Oberfläche.
Callion drehte sich um und grinste sie an, seine nadelspitzen Zähne glitzerten. Er hielt
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