Glenraven
den Becher in einer Hand und nahm mit der anderen einen Metallstab aus der Reihe der Brenner. Seine Spitze war fast weißglühend.
»Nimm ihr den Lappen aus dem Mund, Hyultif«, sagte Callion zu dem anderen Aregen, der still zuschaute. »Sie wird dies für mich trinken, und dann wird sie sich freiwillig an mich binden, sonst steche ich ihr hiermit die Augen aus.« Er wedelte mit dem Metallstab, sein Grinsen wurde breiter. Er starrte Jay in die Augen. »Du solltest nicht vergessen, daß du für meine Zwecke keine Augen brauchst, keine Ohren und keine Zunge. Wenn du sie behalten willst, trink das und mach mir keine Scherereien.«
Der andere Aregen stand noch immer da und beobachtete die beiden. Callion drehte sich um und warf ihm einen finsteren Blick zu. »Hyultif, beeil dich. Wir haben nicht mehr viel Zeit, bis Aidris Akalan uns die Tür einschlägt.«
Hyultif seufzte und nickte. »Also gut.« Er kam näher, und Callion wandte seine Aufmerksamkeit wieder Jay zu. Er hielt den Stab so dicht an ihr Gesicht, daß sie spürte, wie die Hitze ihre Wange trocknete. Als sie zurückzuckte, kicherte Callion.
Aus den Augenwinkeln erhaschte Jay eine Bewegung und sah, wie der Aregen, den Callion Hyultif genannt hatte, eine Keule auf Callions Kopf niedersausen ließ. Callion stieß einen Schrei aus, und gleichzeitig schoß ein sengender Schmerz durch Jays Wange. Callion hatte den Stab fallenlassen, der ihr jetzt ein Loch ins Gesicht brannte. Sie schrie durch den Knebel und schlug um sich in dem Versuch, ihren Kopf von dem entsetzlichen, brennenden Schmerz wegzudrehen, die Qual zu beenden.
Callion fiel aus ihrem Blickfeld und landete dumpf auf dem Boden.
»Halt still«, befahl Hyultif. Er schleuderte den Stab quer durch den Raum, dann packte er Jayjay fest an der Stirn und drehte ihr Gesicht zu sich herum. »Das hat ein häßliches Loch gegeben. Ich kann den Knochen sehen.«
Der Schmerz tobte so wütend, daß er sie blind machte. Sie versuchte, etwas zu erkennen, doch roter Nebel hing vor ihren Augen, und die Qual machte sie taub.
Hyultif sagte: »Halt einen Augenblick still, ich kann das Fleisch wieder zusammenwachsen lassen.« Hyultif legte seine Klauen auf ihr verbranntes Fleisch, und für einen Augenblick wurde der Schmerz noch schlimmer anstatt besser. Tränen rannen ihr über die Wangen, sie schluchzte. Aber dann ließ der Schmerz nach, und im nächsten Moment war er ganz verschwunden.
»Eine Narbe wird bleiben, fürchte ich«, sagte der Aregen. »Ich konnte die Wunde nicht ungeschehen machen, ich konnte sie nur schneller heilen lassen. Die Aregen befassen sich mit der Macht, die Heiler waren die Machnan, aber sie haben keine Magie mehr.« Er griff hinter sie, band den Knebel los und zog ihn ihr aus dem Mund.
»Danke«, wollte sie sagen, aber ihr Mund war so ausgetrocknet, daß kein Wort herauskam.
Hyultif beschäftigte sich mit den Fesseln.
Sie setzte sich auf, als ihre Hände frei waren. Als das Blut wieder zu kreisen begann, rieb sie sie aneinander und versuchte, den Schmerz zu ignorieren. Sie fragte: »Stimmt es, was er über Sophie gesagt hat?«
»Ja. Sophie ist tot.«
»Was ist mit Matthiall? Lebt er noch?«
Hyultif seufzte. »Du willst die Wahrheit wissen? Wahrscheinlich nicht. Er ist ein Kin - noch dazu ein Kin aus der Alten Linie -, und Callion warf ihn in einen Machnan-Turm, während er hilflos war. Die Machnan dort haben ihn wahrscheinlich in dem Augenblick getötet, als er materialisierte.«
Jay biß die Zähne zusammen und nickte. Sophie tot, Matthiall nicht mehr da. Die Wölfe standen vor der Tür, sozusagen, Aidris und ihre Ungeheuer warteten vor der Domäne, und sie warteten auch keineswegs passiv. Sie hämmerten an die Tür und hatten offenbar gewissen Erfolg damit. Alle Hoffnung war dahin, Glenraven dem Untergang geweiht, und sie würde sterben.
Aber, bei Gott, das würde sie nicht allein tun.
»Bring mich zu Aidris.«
Hyultif band ihre Füße los, warf ihr einen Blick zu und schüttelte den Kopf. »Sinnlos. Wir haben bereits verloren. Die Orakel waren darin sehr deutlich: Wenn nicht du und Sophie gemeinsam gegen Aidris antretet, könnt ihr nicht gewinnen.«
»Es ist mir scheißegal, ob ich gewinne oder nicht«, sagte Jay. »Ich weiß, daß ich nicht gewinnen kann. Ich bringe sie um - für das, was sie Sophie angetan hat.«
»Sie wird dich töten. Sobald sie dich sieht, wird sie spüren, daß du von Glenraven gezeichnet bist. Sie wird wissen, daß du als nächste Schutzherrin bestimmt
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