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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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folgte ihm, und für einen Augenblick kam Jay sich einsam und verlassen vor… wie in einem jener Alpträume, wo man immer weiterrennt, ohne jemals irgendwo anzukommen. Dann fuhr sie um die Ecke und sah die Lichter der anderen wieder vor sich. Die bedrückende Einsamkeit legte sich.
    Aber nicht allzusehr. Sie fuhren um zwei weitere Biegungen, eine nach links, die andere nach rechts. Plötzlich bemerkte Jay, daß es sich um eine Abzweigung gehandelt hatte. Der Tunnel hatte sich geteilt. Ohne Vorwarnung hatte er sich geteilt. Sie überlegte angestrengt, ob sie vielleicht schon andere Abzweigungen versäumt hatten. Schließlich hatte sie nicht darauf geachtet. Sie stellte sich schaurige Szenarien vor. Drei Reisende, die immer und immer weiter fuhren. Ihre Scheinwerfer wurden schwächer und schwächer, bis sie nacheinander erloschen. Sie, Sophie und der unsympathische, wortkarge Lestovru wären dann dem Echo ihres eigenen Atems und dem zermürbenden Tropfen des Wassers von den Tunnelwänden ausgeliefert.
    Jay versuchte ihr Zeitgefühl zu bewahren - in der Dunkelheit wurden die Minuten länger und länger. Ungefähr eine halbe Stunde fuhren sie jetzt durch den Tunnel, und Jay kam es ohne Übertreibung vor wie ein halber Tag. Sie konnte ihre Armbanduhr nicht erkennen. Der Ärmel ihrer Jacke war darüber gerutscht. Aber es spielte keine Rolle. Da sie die letzte in der Kolonne war, hatte sie sowieso zu wenig Licht, um das Zifferblatt zu erkennen. Sie wünschte, es wäre anders. Je länger sie durch die Dunkelheit fuhren, desto mehr reifte in Jayjay die Überzeugung heran, daß irgend etwas nicht stimmte… daß sie irgendwie vom rechten Pfad abgekommen waren und durch eine Art minotaurisches Labyrinth irrten.
    Lestovru bog erneut um eine Kurve. Sophie folgte ihm und verschwand außer Sicht. Jay hörte sie kreischen. Unter normalen Umständen kreischte Sophie nicht so leicht. Jay wurde langsamer und spähte vorsichtig um die Ecke. Sie sah Lestovru. Sie sah Sophie. Keine Gefahr. Keine Katastrophe. Nichts Ungewöhnliches.
    Sie zuckte mit den Schultern und radelte den beiden hinterher… und von einem Moment zum anderen fühlte sich ihr Magen an, als würde er die tollsten Kunststücke vollführen. Jay schnappte nach Luft, fiel über eine unsichtbare Felswand… und dann verschwanden sowohl die Übelkeit als auch das Schwindelgefühl so schnell, wie sie gekommen waren. Mit einem Mal fühlte Jay sich großartig.
    Sophie fuhr um eine weitere Biegung. Ihr Freudenschrei »Tageslicht!« hallte durch den ganzen Tunnel. Jay raste los, alle Aufmerksamkeit nach vorn gerichtet. Sie trat in die Pedale, so schnell sie konnte, und als sie um die nächste Kurve gefahren war, sah sie den ersten Lichtschimmer auf der Wand, der nicht von einem Scheinwerfer stammte.
    Jay murmelte: »Oh, Gott sei Dank!« und radelte noch schneller. Sophie raste bereits auf den Ausgang zu. Sogar Lestovru schien gegen das Tageslicht nicht immun zu sein. Auch er wurde immer schneller. Die dämonischen Fahrer an den Wänden schienen sich zu beeilen, um das Licht zu überflügeln, das ihr Untergang war - und dann warf das Licht am Tunnelausgang die Schatten dorthin zurück, wo sie nicht mehr zu sehen waren. Die drei stürzten aus dem Tunnel auf einen Überhang an der Außenseite des Berges zu, durch den sie gekommen waren.
    Sie machten eine Vollbremsung - drei Fahrräder quietschten im Chor.
    Jayjay stellte ihr Rad ab und kletterte auf einen Felsbrocken am Rand des Überhangs. Unter ihr erstreckte sich ein weites grünes Tal, durchsetzt mit Seen, die wie Saphire glitzerten. Es gab zwei große, unberührte, natürliche Wälder, die von ihrem Aussichtspunkt wie Samt aussahen. Ätherisch wirkende Türme schmückten unglaublich hoch und fragil gebaute Burgen, die auf flachen Hügeln, auf kleinen Bergen oder am Ufer des Flusses standen. Innerhalb der ausladenden Burgmauern drängten sich winzige Häuser zu Bilderbuch-Städten. Das Ganze - umgeben von der gewaltigen Wand der Alpen - wirkte, als hätte man es in einem Stück von einem noch freundlicheren Ort in diesen abgeschiedenen Winkel transportiert, um es vor Schaden zu bewahren. Jay fühlte, daß sie sich ganz und gar in dieser perfekten Miniaturwelt verlieren könnte.
    Das Photo auf dem Umschlag ihres Reiseführers wurde diesem Anblick nicht gerecht.
    Sophie stieg neben ihr auf den Felsen. »Nicht zu fassen!« flüsterte sie. »Ich kann kaum glauben, was ich sehe.«
    Die Sonne schien Jayjay heiß ins Gesicht, und der

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