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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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auch landestypische Gerichte im örtlichen Fünf-Sterne-Restaurant.«
    Jay stieß ein wütendes Schnauben aus. »Du kannst einem manchmal wirklich unheimlich auf die Nerven gehen.« Sie räusperte sich. »Seihau Retireti heilero?« Jay versuchte krampfhaft zuversichtlich zu klingen. Allerdings schien das den Einheimischen nicht sonderlich aufzufallen.
    »Retireti«, wiederholten sie aufgeregt und begannen zu lächeln. Sophie bemerkte eine ganze Menge verfaulter Zähne und gab sich Mühe, nicht zusammenzuzucken. Selbst wenn Jay recht haben sollte und die Leute hier wirklich von Zeit zu Zeit ein Bad nahmen, so hatten sie zumindest bis jetzt noch nichts von den wundersamen Kräften des Fluorids gehört. Sie gestikulierten und schnatterten wild durcheinander, während sie einen der ihren nach vorne zerrten. Es war ein wenig attraktiver junger Mann, dünn wie eine Bohnenstange und mit ungepflegtem Äußeren. Wäßrigblaue Augen blickten unter buschigen Brauen hervor. Seine Nase ragte über ein Kinn, das nur durch seine Abwesenheit auffiel. Jetzt fehlt nur noch Akne, dachte Sophie, damit er genau wie all die anderen Möchtegern-Bob Dylans aus ihrer Collegezeit aussah, mit denen sie aufs College gegangen war. Er blickte mürrisch zu ihnen herauf. Der Rest der Einwohner - was mittlerweile auch die Mädchen, die auf dem Feld gearbeitet hatten, und die bis dahin unsichtbaren jungen Männer einschloß - wirkte erleichtert.
    Sophie runzelte die Stirn. Drei hagere Bauern hielten den jungen Mann fest. Irgendwie schienen alle froh darüber zu sein, daß er allein im Rampenlicht stand. Merkwürdig.
    Jayjays Nase steckte bereits wieder in ihrem Buch. »Diese Nützlichen Sätze sind nur nützlich, wenn man diejenigen findet, die man gerade braucht«, murmelte sie vor sich hin. Ohne das kleine Drama vor ihren Augen zu beachten, sagte sie: »›Eine Zigarre bitte‹, ›Eine Karte bitte‹, ›Ich hätte gerne den Schlüssel für die Damentoilette‹… verdammt noch mal, wo ist es denn?« Sie grinste. »Hier! ›Ich hätte gerne ein Zimmer.‹« Sie blickte zu dem gefangenen Retireti hinunter und sagte wieder einige Worte auf galti.
    Retiretis Gesichtsausdruck wechselte von mürrisch zu verblüfft. Seine selbstgefälligen Nachbarn hörten auf zu grinsen und blickten sich an. Dann stieß er einen langen Schwall komplizierter Laute aus, während er wild mit den Armen gestikulierte - als hinge sein Leben an dieser leidenschaftlichen Rede. Sophie wünschte, sie würde verstehen, was er da von sich gab. Sie war sicher, seine Antwort würde Licht in all das Dunkel bringen. Aber das war eben das Problem mit Reiseführern. Sie gaben zwar alle möglichen Fragen vor, aber kein einziger beschäftigte sich damit, wie man die entsprechenden Antworten übersetzen sollte. Nach mehreren Auslandsreisen hatte Sophie herausgefunden, daß die Einheimischen - sobald man auch nur drei einigermaßen verständliche Worte in der Landessprache geäußert hatte - davon ausgingen, der Fremde würde alles verstehen.
    Jayjay wiederholte ihre Frage - diesmal noch langsamer und jede einzelne Silbe sorgfältig betonend.
    Die drei Bauern ließen Retireti los, und er lächelte ein wenig. Das war das einzige, was ihn noch unattraktiver machen konnte als Akne. Er erwiderte irgend etwas, und Jayjay übersetzte: »Ja. Er sagt ja, er habe Zimmer. ›Jen‹ bedeutet ja.«
    »Gut. Dann frag ihn bitte auch noch, ob man nur eine heiße Dusche bekommt, wenn man unter den Kühen im Stall schläft, und ob die Betten verwanzt sind.«
    »Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich dich für einen Stadtmenschen halten.« Jayjay wirkte ausgesprochen gut gelaunt, seit sie eine Übernachtungsmöglichkeit gefunden hatten. Die Dorfbewohner machten den beiden berittenen Fremden den Weg frei, allerdings nicht ohne sie weiterhin nervös anzustarren. Im Gegensatz dazu wirkte Retireti sehr fröhlich und erwies sich als äußerst redselig.
    Redselig - kaum eine ausreichende Beschreibung. Sophie dachte, ein Staudamm wäre gebrochen. Er ertränkte sie geradezu in einer Flut von Worten, während er ständig von einer Frau zur anderen blickte. Was Sophie betraf, so hätte er genausogut Pidgin-Bantu sprechen können. Das mangelnde Verständnis stand ihr ins Gesicht geschrieben. Also konzentrierte er sich hauptsächlich auf Jayjay, die in ihrer typischen Art von Zeit zu Zeit nickte, in ihrem Buch blätterte und gelegentliche ›jens‹ oder ›niques‹ einwarf. Hätte Sophie es nicht besser gewußt,

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