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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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sie wäre davon überzeugt gewesen, daß ihre Freundin der Konversation folgen konnte.
    Aber wer weiß?… Vielleicht verstand Jayjay die Worte wirklich - zumindest auf einer einfachen Ebene. Wenn sie das Wesentliche einer Konversation in einer ihr vollkommen fremden Sprache verstand, dann war das nicht merkwürdiger als die anderen komischen Dinge, die sie sonst zustande brachte.
    Spontan fiel Sophie in diesem Zusammenhang die Reise nach Glenraven ein.
    Retireti führte sie zu einem Haus, das sich in nichts von den anderen Hütten unterschied - das Dach hing durch, die mit Wachstüchern verhängten Fenster waren mit toten Insekten und Dreck beschmiert, und einige magere Hunde tummelten sich auf dem schmalen Pfad zu der engen Tür. Retireti führte sie hinter die Hütte und half ihnen, die Pferde zu versorgen. Nachdem die Tiere abgesattelt, trockengerieben und gefüttert waren, führte er die beiden Frauen wieder nach vorn und hieß sie mit einem breiten, enthusiastischen Lächeln in seinem Heim willkommen.
    »O, mein Gott«, murmelte Sophie vor sich hin. Sie wandte sich zu Retireti und gab sich Mühe, sein Lächeln zu erwidern, obwohl es in ihrem Gesicht schmerzte. »Ich dachte, der Reiseführer hätte das hier als malerisch beschrieben.«
    Selbst Jayjay schien von der offensichtlichen Armut und dem Elend ihres Gastgebers schockiert zu sein. Sie schluckte. »Nun«, brachte sie schließlich hervor. »Ich nehme an, daß man diesen Ort - von einem gewissen Standpunkt aus - als malerisch bezeichnen könnte.«
    Sophie betrachtete prüfend den verdreckten Boden und die niedrige Decke, an der sowohl Kräuter als auch eine beeindruckende Zahl von Spinnweben hingen. Entlang der Wand hockten Hühner in kleinen Verschlagen. Sie versuchte möglichst wenig zu atmen - der Geruch von Hühnern, Knoblauch und primitiven sanitären Einrichtungen durchdrang alles. »Malerisch?… Höchstens im Dunkeln.«

KAPITEL ZWÖLF
     
    Jarenn, ihre drei Jahre alte Tochter Tayes und ihr sechsjähriger Sohn Liendr lagen im feuchten, stinkenden Stroh der kleinen Zelle, die sie sich in dem kalten, dunklen Kerker teilten. Alle drei waren schon seit Tagen hier gefangen. Briganten - drei abtrünnige Kin-hera und ihr Führer - hatten ihre Kutsche auf einem abgelegenen Straßenabschnitt angehalten, als sie auf dem Heimweg vom Fest der Wacht gewesen waren. Nachdem sie den Kutscher, einen Machnan, an Ort und Stelle umgebracht hatten, hatten sie Jarenn und ihre beiden Kinder entführt. Sie hatten sie gefesselt, die Augen verbunden, geknebelt und an diesem Ort hier abgeladen… wo immer hier auch sein mochte.
    Jarenn fragte sich, ob man sie wegen eines Lösegeldes entführt hatte. Ihr Eyra , Dommis, würde alles tun, um sie und die beiden Kinder zurückzubekommen. Sie hatte darüber mit der Frau in der Nachbarzelle gesprochen, einer jungen, wohlgeborenen Kin namens Adeleth. Sie war im fünfzehnten (und damit letzten) Monat schwanger. Bevor die Zeit reif war, hoffte sie wieder zu Hause zu sein.
    Das Warrag-Paar in der Zelle auf der anderen Seite lachte nur bei dem Gedanken an ein Lösegeld. Es gab niemanden, der bereit war, Geld für ihre Freilassung zu bezahlen. Wenn die Entführer gewußt hätten, mit wem sie es zu tun hätten, dann wären sie sofort umgebracht worden. Zu Hause gab es nur einen ersten Wurf Junge und die Cousine, die sich um die Kleinen kümmerte. Von Tag zu Tag wuchs die Überzeugung der Warrag, daß sie den Rest ihres Lebens hier verbringen würden. Sie waren bereits drei Tage in Gefangenschaft, als die Briganten Jarenn und ihre Kinder herbrachten.
    Obwohl Jarenn sich nicht der Furcht ergeben wollte - Furcht befiel andere, nicht Mitglieder der Kin und erst recht nicht solche aus der Alten Linie -, bereiteten ihr die Blutflecken auf dem Stroh und an der Wand doch Alpträume. Etwas Schreckliches war in dieser Zelle geschehen, und zwar erst kurz bevor sie angekommen war. Die anderen Gefangenen berichteten, daß in ihren Zellen genau dieselben grausigen Spuren zu finden waren.
    Die Zellen waren alt - regelrecht antik. Aber sie waren genau für die Kin gebaut worden. Jarenn hatte versucht, das Schloß mit Hilfe ihrer Magie zu öffnen - ohne Erfolg. Sie hatte versucht, die Wache zu bestechen, und als das nicht gelang, einen Tunnel zu graben. Zuletzt hatte sie sogar versucht, ihre Kinder durch die Gitterstäbe zu quetschen, damit wenigstens sie entkommen könnten. Alles ohne Erfolg. Schließlich resignierte sie. Ihr blieb nichts anderes übrig

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