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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Richtung des Cavitarin-Waldes. Er hatte keine Hoffnung zu überleben; aber vielleicht gelang ihm wenigstens ein Ablenkungsmanöver… und sein Tod würde von den Helden ablenken, die sich auf dem Weg in die Sicherheit von Reikstor befanden.
    Er verkniff den Mund zu einer dünnen, harten Linie. Sie waren Frauen… er würde für zwei Frauen sterben. Yemus hatte sich geirrt - wie so oft in letzter Zeit. Die Erlösung der Machnan stand nicht kurz bevor. Die Machnan hatten alles, was sie besaßen, dafür verwendet, die beiden Helden ins Land zu bringen, und für all ihre Schmerzen bekamen sie nun… gar nichts.
    Frauen.
    Er fuhr schneller. Die armseligen Hütten Inzos lagen hinter ihm. Der Wald war überall, über ihm und um ihn herum. Er fühlte sich beobachtet. Die Maschine war sein sicherer Tod. Das ausländische Metall, das Plastik und der Gummi würden die Wächter aus dem Wald locken. Sie würden das Fremde spüren, und sie würden Glenraven davon reinigen… mit einer Wut, die sowohl das Fremde als auch alles in seiner Umgebung vernichten würde. Wenn sie fertig waren, würde nichts mehr übrig sein. Auch er nicht.
    Sie würden kommen.
    Sie würden kommen.
    Er hoffte nur, wenigstens ein paar von ihnen zu erwischen, bevor sie ihn umbrachten… ein letzter Schlag für die verlorene Sache der Machnan.
    Er hörte sie kommen. Die Blätter raschelten, obwohl im ganzen Wald kein Windzug ging. Er suchte nach einem geeigneten Platz, wo er sich stellen konnte, irgendeine kleine Lichtung, die ihm Raum zum Schießen bot. Er kannte den Wald um Inzo nicht. Falls er einen geeigneten Ort finden würde, dann hätte er Glück gehabt - das erste Mal seit langer Zeit. Aber er fragte nicht nach Glück, nicht während der Tod hier auf ihn lauerte. Der Wald war kein Ort, wo ein Machnan Glück hatte.
    Abgestorbene Blätter trieben über den Weg. Überall knackten Äste. Ihm schauderte. Sie kamen. Sie kamen immer näher. Schon bald würde er sich zum Kampf stellen. Er fuhr wieder schneller. Der Boden unter seinen Rädern war wie ein Schwamm, der an den Reifen saugte. Der Wald selbst hatte sich gegen ihn verschworen. Die Baumwipfel rauschten und schwankten. Der Schweiß auf seiner Stirn hatte nichts mit Erschöpfung zu tun. Er stank nach Furcht.
    Näher.
    Sie kamen näher. Näher. Immer schneller.
    Nur weg hier, dachte er. Er mußte sie von hier weg führen. Er betete, sie würden nicht bemerken, daß er allein gewesen war. Sollten sie ruhig glauben, er sei ein Renegat. Sollten sie nur kurzen Prozeß mit ihm machen - und sich nicht damit aufhalten, ihm irgendwelche Geheimnisse zu entlocken.
    Laß die Helden wirkliche Helden sein, betete er. Das war sein letztes Gebet. Die Zeit war abgelaufen. Er sah, wie sich etwas in den Schatten bewegte und ihm auf Schritt und Tritt folgte. Ein kurzes Flackern, ein schimmernder Teppich aus winzigen Lichtern, der sich über den Boden bewegte. Das Unterholz riß an ihm mit klauenbewehrten, dornigen Fingern. Das war kein guter Platz zum Kämpfen und Sterben… aber er war Machnan. Sie würden bluten, wenn sie ihn haben wollten.
    Er hielt an, glitt vom Fahrrad, nahm die Armbrust von der Schulter und lehnte sich mit dem Rücken an einen Baum. Dann kamen die Wächter. Sie, die so lange geschwiegen hatten, schnatterten und knurrten. Schatten und Lichter kamen immer näher; aber nicht so nahe, daß er sie hätte benennen können.
    Gerüchte. Er kannte nicht viel mehr als Gerüchte. Spekulationen Lebender über den Tod anderer.
    Ohne eindeutiges Ziel legte er an und schoß. Eine hektische Bewegung, ein aufblitzendes Licht, die herabstürzenden Schwingen der Finsternis, wogende Schatten - das war alles. Nichts Konkretes war zu sehen, nichts Faßbares. Stille folgte seinem Bolzen. Vollkommene Stille. Sie warteten. Beobachteten ihn. Stille.
    Nervenzehrende, schleppende Stille… er wußte, daß sie immer näher kamen… während er sich völlig hilflos noch nicht einmal bewegen konnte.
    Plötzlich umgab ihn wie aus dem Nichts das Brüllen des Windes. Die Lichter, die wie Wasser über den Boden geflossen waren, stiegen auf und vereinigten sich mit den wogenden Schatten… und nahmen Gestalt an. Sie kamen auf ihn zu… die Wächter. Jetzt konnte er sie zum ersten Mal deutlich erkennen, aber er begriff nicht, was er sah. Er ließ die Arme sinken, und die Armbrust fiel zu Boden. Es war ihm egal. Er lächelte.
    Er blickte seinem Tod in die Augen.

KAPITEL ZEHN
     
    Aidris Akalan tanzte durch die langen, leeren Korridore,

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