Glenraven
Lorin über Peters dachte, da sie von außerhalb kam. Was Sophie von Tennessee hielt, woher Lorin stammte. Sophie war nur ein einziges Mal dort gewesen. Deshalb konnte sie nicht viel zu dem Thema beitragen. Also hatten sie über Peters’ Mangel an kulturellen Ereignissen gesprochen. Sophie hatte einen trockenen Kommentar über die Frühlingsmodenschau des örtlichen Jugendclubs und den Jaycee-Jahrmarkt abgegeben. Beide Frauen hatten gelacht.
Sophie hatte ihre Post genommen und war mit einem guten Gefühl ins Haus gegangen.
Damit hatte alles begonnen. Lorin war immer hereingekommen, wenn sie vorbeiritt, und Sophie hatte sie regelmäßig besucht, nachdem sie erfahren hatte, wo sie wohnte. Die beiden Frauen wurden Freundinnen. Sie gingen ein- oder zweimal pro Woche in einem der Cafés in Peters essen, saßen sonntags im Wohnzimmer beieinander und sprachen über ihre Träume, ihre Ambitionen und ihr Leben.
Lorin hatte sich selbst als ›zur Zeit alleinstehend‹ bezeichnet. Keine von beiden hatte jemals über Kinder oder Männer gesprochen. Eines Tages hatte Lorin erzählt, wie hart es war, allein zu sein, und wie sehr sie ihre Eltern und ihre Geschwister vermißte. Zwar hatte sie sich mit ihrer Familie zerstritten, aber sie liebte sie trotzdem noch. Dann hatte Lorin über einen ehemaligen Liebhaber gesprochen, der sie wegen einer jüngeren Frau verlassen hatte. Er war einfach ausgezogen, ohne auch nur Lebwohl zu sagen.
Während des Essens hatte sich Sophie dabei ertappt, wie sie das erste Mal ausführlich von Mitch erzählte. Sie erinnerte sich wehmütig an die guten Zeiten ihrer Beziehung. Sie hatte auch über Karen gesprochen und wie der Tod ihrer Tochter alles verändert hatte. Sie hatte Lorin von ihrer Ruhelosigkeit erzählt, ihrer Suche nach etwas, das sie nicht näher beschreiben konnte. Von dem Bedürfnis, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, sich zu erneuern, um dem nicht enden wollenden Schmerz zu entfliehen.
Lorin hatte traurig gelächelt. »Liebe ist schmerzhaft.«
»Das stimmt. Vielleicht ist das genau das Problem. Vielleicht schmerzt das, was Mitch und ich zurückgelassen haben, nicht genug.« Sophie hatte den Kopf auf die Hände gestützt und geseufzt. »Ich wünschte, ich wüßte, ob ich ihn immer noch liebe - aber ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Vielleicht sollte ich mich langsam mal in eine andere Richtung bewegen.«
Lorin hatte ein ernstes Gesicht gemacht und die Hand auf Sophies Arm gelegt - dann hatte sie traurig geflüstert: »Wenn du so weit bist, glaubst du, du könntest dich in meine Richtung bewegen?«
Sophie öffnete die Augen und starrte den Baldachin an.
Glaubst du, du könntest dich in meine Richtung bewegen? Die Frage hatte sich regelrecht in Sophies Gedächtnis eingebrannt. Sie war noch immer so frisch und schmerzhaft wie in dem Augenblick, als Lorin sie gestellt hatte.
Karens Tod hatte so vieles in ihr zerbrochen. Sophie wußte, daß sie niemals wieder Kinder haben wollte. Sie würde niemals wieder das Risiko eingehen, ein Kind in die Welt zu setzen, es zu lieben… und dann zu verlieren. Auch hatte sie den Teil von ihr, der sich an Mitch erfreuen konnte, verloren. Sophie sah in ihm nur noch ein Mahnmal für alles, was sie verloren hatte, und nicht mehr den Mann, mit dem sie ihre Zukunft verbringen wollte.
Sophie wälzte sich unruhig hin und her und versuchte, eine bequemere Position zu finden… versuchte, ihren Gedanken zu entfliehen.
Natürlich würde Sophie sich nicht mehr sorgen müssen, wenn sich ihre Vorahnung als wahr herausstellte. Wenn sie in Glenraven starb, dann wären auch ihre Probleme vorbei.
Sophie blickte müde zu dem Baldachin empor und dachte über den Tod nach… das Ende aller Probleme.
KAPITEL ACHTZEHN
Im Inneren der Burg von Cotha Faldan, tief im Faldan Wood, herrschte ewige Dunkelheit. Die Alfkindir verabscheuten das Tageslicht. Allerdings konnten ihre tagaktiven Machnan-Untertanen nicht ohne die Sonne leben. Cotha Faldan war mit Rücksicht auf diese unterschiedlichen Bedürfnisse erbaut worden. Die Architekten der Alfkindir hatten den größten Teil der gewaltigen Burg im Schatten des Waldes errichtet. Wo Fenster eingebaut werden mußten, sorgten steinerne Bäume oder andere geniale Gerätschaften jederzeit für ausreichend Schatten. Bereits kurz nach Mittag war Cotha Faldan in tiefe Dunkelheit gehüllt.
Aidris Akalan wollte einfach nur allein sein. Deshalb hatte sie sich in die Zauberkammer in der Spitze des höchsten Turms
Weitere Kostenlose Bücher