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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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sich wieder ab, ohne zu wissen, was für Kreaturen das waren und warum ihr bei dem Anblick übel geworden war.
    Jayjay stand ein Stück von ihrer Freundin entfernt und betrachtete einen der farbigen Gobelins, der mit feinen Goldfäden durchwirkt war. »Toll! Das nenne ich ein dramatisches Bild!« sagte Jayjay. Der Teppich erstreckte sich fast über die gesamte Länge der Halle. »Schau mal… die Soldaten sehen nicht aus wie auf den anderen Bildern. Die Jungs mit den bunten Schilden sind Menschen, aber was um alles in der Welt sind das für Dinger, die ihnen gegenüberstehen?«
    Sophie folgte der Richtung, in die Jayjays Finger deutete, und sah die Stelle, die ihre Freundin erwähnt hatte. Menschen hatten sich in Schlachtordnung aufgestellt, um einem Feind zu begegnen, der direkt aus der Hölle zu kommen schien. Große, zottelige Kerle in Rüstungen standen neben Kreaturen mit Hörnern und Reißzähnen. Dämonen ritten auf riesigen Echsen einen Hügel hinab, neben sich schrecklich anzuschauende Hunde.
    »Eine Allegorie?« schlug Sophie vor, während der Portier zur Eile aufrief und die Frauen einen Korridor entlang führte. »Glenravener gegen Satans Heerscharen?«
    Jayjay zuckte die Schultern. Ihre Aufmerksamkeit war bereits den Helmen zugewandt, die man auf Stangen entlang des Korridors gesteckt hatte. Sophie beobachtete, wie Jays Blick von einem Wappen zum nächsten glitt - Jayjay besaß manchmal die Konzentrationsfähigkeit einer Dreijährigen.
    Plötzlich erinnerte sich Sophie an ein winziges Detail. Irgendwie sahen die Monster auf dem Gobelin den hundeartigen Tieren ähnlich, deren Köpfe an den Wänden hingen; genau wie diese schrecklichen Wesen, die den Hügel zusammen mit dem Rest des Höllenheeres hinabstürmten.
    Merkwürdig.
    Was das wohl zu bedeuten hatte?
    Der Portier führte die beiden Frauen durch die Tür am Ende des Korridors in einen Raum, der wie ein Speisesaal aussah. Zwei lange Tische standen zusammen mit den dazugehörigen Bänken an den Wänden. Die Mitte des Raumes war vollkommen leer… das machte das Servieren wohl wesentlich einfacher. Ein dritter Tisch am oberen Ende des Raumes verband die beiden anderen. Er stand etwas erhöht. Sophie sah sich aufmerksam um. Sie schätzte, daß hier vielleicht hundert Personen zur selben Zeit Platz finden und essen konnten. Sophie fragte sich, wie oft der Saal wohl voll sein mochte.
    »Gibt es hier auch ein Restaurant?«, fragte Jayjay. »In meinem Reiseführer stand nichts davon.«
    Der Portier dachte einen Augenblick darüber nach. »Wir essen alle hier«, sagte er schließlich. »Das Mittagessen wird bald serviert. Man erwartet, daß Ihr entsprechende Kleidung tragt.«
    »Das ist alles, was wir haben«, erklärte Sophie. Das war zwar nicht die ganze Wahrheit, aber wahrscheinlich würde der kleine Mann Jayjays Garderobe noch unpassender finden als die Robin-Hood-Kostüme, die sie von Lestovru bekommen hatten.
    Wieder reckte der Portier die Nase in die Luft und schnaufte. »So also kommt die Erlösung der Machnan«, murmelte er und blickte zu den beiden Frauen. »Ich werde dafür sorgen, daß Ihr etwas Passendes bekommt.«
    Jay und Sophie wurden wieder aus dem Raum hinausgeführt. Sie betraten eine dunkle, enge Halle voller Menschen. Es herrschte eine ungeheure Geschäftigkeit. Alle Anwesenden trugen Variationen derselben Kleidung, die auch der Portier anhatte.
    Der kleine Mann führte sie durch ein Labyrinth aus Korridoren, durch lange Hallen, eine Wendeltreppe hinauf und durch kalte, öde Räume. Sophie war der festen Überzeugung, daß sie hier niemals wieder alleine hinausfinden würde. Sie konnte sich nicht einmal an den Weg zurück in den Speisesaal erinnern. Wahrscheinlich würden sie und Jay den Rest ihres Lebens damit verbringen, durch Korridore zu irren und Treppen auf und ab zu steigen, um einen Weg nach draußen zu finden.
    »Euer Zimmer«, sagte ihr Führer plötzlich, blieb stehen und öffnete eine Tür, die genau wie alle anderen aussah. Es gab keine Nummer und keine kleinen Schildchen - nichts. Es war einfach nur eine Tür - groß, solide und uralt.
    »Wie sollen wir uns hier zurechtfinden?« fragte Jayjay. Sophie hätte sie dafür küssen können.
    »Einfach läuten… irgend jemand wird schon kommen und Euch hinführen, wohin Ihr wollt. Ich schicke gleich nach der Kammerzofe, damit sie Euch etwas Passendes zum Anziehen bringt und das Badewasser einläßt.« Er betrachtete die Kleidung der beiden Frauen mit offenkundiger Abscheu.

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