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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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zurückgezogen. Dies war der einzige Ort in der Burg, wo den ganzen Tag über Licht einfiel. Niemand würde sie hier stören. Weder die niederen Kin noch die Kin-hera würden sich den tödlichen Strahlen aussetzen.
    Aidris dachte über Hyultif und seine Prophezeiungen nach. Sie zweifelte nicht an der Zuverlässigkeit seiner Magie. Hyultif hatte oft genug bewiesen, wozu er fähig war. Aidris’ Pakt mit den Wächtern, der Höllenbrut, die sie durch den Spalt herbeigerufen hatte, machte sie nicht unverwundbar. Sie gaben Aidris Macht und ewige Jugend, und als Gegenleistung verlangten die Wächter nur die Erlaubnis, Glenravens Wesen jagen zu dürfen. Aber sie beschützten Aidris nicht. Aidris besaß ewiges Leben… aber sie mußte es selbst verteidigen.
    Aidris hatte in dem schwarzen Spiegel ihren eigenen Tod gesehen. Seit mehr als hundert Jahren hatte sie nicht mehr darüber nachgedacht. Niemand hatte seither gewagt, sich ihrer Herrschaft zu widersetzen. Aber nun quälten Aidris die Gedanken an ihre Sterblichkeit. Irgend etwas - oder irgend jemand - hatte sie herausgefordert. Irgend jemand wollte ihren Tod… und er besaß die Mittel, seine Absicht in die Tat umzusetzen.
    Vielleicht meinten die Omen ja Matthiall, obwohl ihr das mehr als unwahrscheinlich erschien.
    Vielleicht sollte Aidris ihn einfach umbringen, schon aus Prinzip. Sie hätte Matthiall zwar lieber zu einem gebrochenen Sklaven gemacht, aber sie sah keinen Sinn darin, ihr Leben zu riskieren, um sich an seinen Qualen zu erfreuen.
    Natürlich kamen außer Matthiall noch andere in Frage. Die Liste der Menschen, die Aidris’ Tod wünschten, war fast genausolang wie die Liste der Einwohner von Glenraven. Vielleicht gab es unter ihnen jemanden, der entschlossen genug war, einen Versuch zu wagen.
    Wie auch immer.
    Aidris saß im Sonnenlicht und blickte auf das grüne Dach des Faldan Wood.
    Ich bin geboren, um zu herrschen, dachte sie. Das Schicksal ist auf meiner Seite. Es gibt keine Bedrohung, mit der ich nicht fertig werden könnte.
    Hyultif würde seine Aufgabe erfüllen und die Quelle der Gefahr entdecken. Und wenn es soweit war, würde Aidris sich persönlich darum kümmern.
    Sie würde ein Exempel statuieren, das die Einwohner Glenravens niemals vergessen würden.

KAPITEL NEUNZEHN
     
    Jayjay hatte nicht mehr geglaubt, daß Sophie noch einmal aufwachen würde. Ihre Freundin hatte fest geschlafen und sogar leise geschnarcht - es hatte wie das Schnurren einer kleinen Katze geklungen -, als die Kammerzofe die neuen Kleider gebracht hatte. Das Mädchen hatte Jay ein goldenes Seidenhemd und einen dunkelgrünen Seidenrock gegeben, der ihr bis zu den Fersen reichte. Ein breiter Gürtel, der direkt unter ihrer Brust begann, schnürte Jay fast die Luft ab. An den Füßen sollte sie Wildleder-Mokassins tragen, die bis zu den Knien hochgeschnürt wurden. Sophie erhielt eine ähnliche Garderobe, nur in anderen, ebenso grellen Farben. Jay betrachtete sich in einem kleinen Messingspiegel und fand, daß sie wie eine Zigeunerin aussah. Sie fühlte sich lächerlich, wie in einer Karikatur.
    Sophie befand sich im Augenblick im Badezimmer. Jay hoffte, daß ihre Freundin ein wenig besser gelaunt war, wenn sie wieder herauskam. Den ganzen Tag über hatte sich Sophie ausgesprochen ruhig verhalten. Sie beschäftigte sich wieder mit dem Tod ihrer Tochter. Jayjay verzweifelte fast. Dennoch hoffte sie, daß ihre Freundin durch diese abenteuerliche Reise auf andere Gedanken gebracht würde.
    Sophie kam aus dem Bad und fummelte an ihrem Rock. »Sehe ich so dämlich aus, wie ich mich fühle?« fragte sie.
    »Du siehst phantastisch aus«, erwiderte Jayjay. Sophie wirkte wie eine in Seide verpackte manisch-depressive Pennerin in ihrer manischen Phase. Jay hoffte, daß sie nicht genauso aussah, aber Sophies Blick schien ihre schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen.
    »Dieses Zeug ist irgendwie… niedlich«, erklärte Sophie.
    Jay dachte wehmütig an ihre praktische Weste und die knitterfreie Khakihose. Sie hätte beinahe alles dafür gegeben, ihre eigene Kleidung beim Essen zu tragen. »Ja… allerdings«, stimmte sie Sophie zu.
    Sophie warf einen mürrischen Blick auf ihr Hemd. Es war über und über mit rubinroten Punkten bedeckt, die zu allem Überfluß auch noch von regenbogenfarbenen Streifen durchzogen wurden. »Glaubst du wirklich, daß wir das anziehen müssen?« fragte sie.
    »Wir werden wohl kaum drum herumkommen. Aber wenn irgendeine andere Frau in einem eleganten kleinen

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