Glenraven
überhaupt nicht. »Soll ich mitkommen? Vielleicht kann ich dir behilflich sein.«
»Wenn ich mich entschieden habe, was zu tun ist, dann kannst du mir helfen. Aber jetzt werde ich mich erst mal allein um sie kümmern.«
»Und wenn sie dir entkommen?«
Matthiall lachte leise. »Hier kommen sie nicht raus. Sie würden nur hilflos durch das Labyrinth irren. Falls sie so dumm sein sollten, es trotzdem zu versuchen, könnt ihr Warrags sie fressen. Du hast schon lange keinen Machnan mehr gehabt, oder?«
» Viel zu lange.«
»Nun… wenn sie weglaufen, ist das Warten vorbei.«
»Ich werde mich mit diesem appetitlichen Gedanken trösten«, sagte der Warrag und trottete weg.
Soweit Sophie sehen konnte, war sie jetzt allein mit Jay und Matthiall.
»Habt ihr gehört, was ich Grah gesagt habe?« fragte Matthiall.
»Ja«, antworteten die beiden Frauen.
»Ich habe nicht übertrieben. Wenn ihr versucht zu fliehen, dann ist der freundlichste Tod, auf den ihr hoffen könnt, der durch die Zähne und Klauen der Warrags.« Er seufzte. »Kommt mit.«
Im Gegensatz zu Bewul klang Matthiall überhaupt nicht grausam. »Wo sind wir?« fragte Sophie.
»Am Haupttor.«
»Am Haupttor von was?«
»Oh… das hier ist Cotha Faldan.«
»Und wo liegt Cotha Faldan?« fragte Jayjay. »Ich habe noch nie davon gehört.«
Matthiall sog zischend die Luft ein. »Keine Fragen mehr«, sagte er. »Kein Wort mehr, bis ich euch sage, daß ihr wieder sprechen dürft.« Sophie hatte eigentlich erwartet, daß er sich über die Frage ärgern würde, doch statt dessen klang Matthialls Stimme irgendwie verängstigt.
Matthiall führte sie an leeren, dämmrigen Räumen vorbei und durch lange, verwinkelte Hallen. Es ging immer weiter nach unten, tief unter die Erdoberfläche. Schimmerndes Silber bedeckte die steinernen Wände wie ein gefrorener Wasserfall. Schließlich, als der Weg wieder geradeaus führte, hörten die beiden Frauen in der Ferne Gesang und Lachen. Die Stimmen klangen hoch und angenehm. Auch die steinernen Korridore sahen jetzt anders aus. Während sie weiter oben noch rauh und grob bearbeitet waren, schienen sie sich hier unten in eleganten Verzierungen aufzulösen. Der Stein war so wunderbar bearbeitet, daß er beinahe lebendig wirkte. Sophie berührte neugierig eine der Säulen. Ihre Finger sagten ihr, daß es sich noch immer um Stein handelte… hart, kalt und feucht… aber die flüchtige Berührung erregte sie so sehr, daß sie glaubte, er hätte sich bewegt.
Die drei gingen weiter, und der Boden unter ihren Füßen wurde mit einem Mal weich. Sophie bückte sich und berührte die Erde mit den Fingerspitzen… und entdeckte verblüfft, daß sie über Gras ging. Eine leichte Brise strich durch die Halle. Sophie richtete sich wieder auf und sah, daß Matthiall angehalten hatte. Sie konnte sein Gesicht nicht erkennen, doch sie nahm an, daß er sie musterte.
»Ich habe so etwas seit undenklichen Zeiten nicht mehr gespürt«, flüsterte er. »Du weckst das Leben in diesen alten Steinen, holder Gast.«
Sophie schwieg. Matthiall hatte ihnen noch nicht die Erlaubnis gegeben zu sprechen.
Hinter einer weiteren Biegung betraten sie eine gigantische Kuppel. Tausende kleiner Lichter schwebten unter der Decke und imitierten den Sternenhimmel. Sie erhellten den Raum mit ihrem warmen, gelben Licht. Sophie spürte einen Kloß im Hals, als sie das tiefe Blau des Zwielichts erblickte, das dem nächtlichen Himmel an der Oberfläche so ähnlich sah. Der Gesang von Vögeln und das muntere Quaken kleiner Frösche trieben ihr Tränen in die Augen. Für einen Augenblick fühlte sich Sophie wie ein kleines Mädchen, das an einem lauen Sommerabend auf der Wiese ihres elterlichen Hauses lag.
Ich könnte barfuß und mit einem Eimerchen bewaffnet durch die Gegend laufen, dachte sie… als würde ich immer noch 65 Pfund wiegen und spitze Knie haben… als würde der Sommer ewig dauern und Mom und Dad für immer bei mir bleiben.
Eine Träne lief über ihre Wange. Sophie schluckte, zog ein Taschentuch hervor und schneuzte.
»Mein Gott«, sagte Jay langsam. »Weißt du, wie sehr mich das an den Park hinter unseren Häusern erinnert, als wir noch Kinder waren?«
»Ja.« Sophie wischte sich die Träne von der Wange. Sie war dankbar, daß man ihr Gesicht in der Dunkelheit nicht erkennen konnte. »Irgend etwas an den Gerüchen und Klängen.«
»O ja.« Jay seufzte. »Ich habe seit Jahren nicht mehr daran gedacht.«
»Ich gehe manchmal noch dorthin«, sagte
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