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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Tränen in den Augen von ihm abwandten und wie Frauen händeringend auf den Boden oder an die Decke starrten. Er sah, wie sich zwei verfeindete Führer von benachbarten Dörfern die Hände auf die Schultern legten und gemeinsam weinten.
    Smeachwykke erhob sich und blickte ihm in die Augen. »Dann ist es vorbei.«
    »Wann immer es ihnen gefällt… ja.« Yemus legte die Hände zusammen und nickte langsam.
    Lord Smeachwykke kaute auf seiner Unterlippe, bis Blut zwischen seinen Zähnen hindurchfloß. »Also ist die einzige Frage, die wir noch zu klären haben, ob wir Euch auf der Stelle hinrichten sollen, damit jeder sehen kann, wie Ihr sterbt, oder ob wir Euch leben lassen, bis die Kin das Artefakt und uns mit ihm zerstört haben und nur noch Ihr alleine übrig seid.«
    Yemus nickte. Er hatte mit der Frage gerechnet - sein Bruder hatte ihn dasselbe gefragt.
    »Mauert ihn in den Turm«, schlug Bekka Shaita vor, die Lady von Dinnos. »Bringt ihm Nahrung und Wasser… und laßt ihn darüber nachdenken, was er angerichtet hat. Und wenn wir nicht mehr sind, wird er es wissen, denn niemand wird mehr zu seinem Fenster kommen. Auf diese Weise werden wir in dem Bewußtsein sterben, daß derjenige, der unseren Tod zu verantworten hat, auch sterben wird… aber vorher wird er angemessen leiden.«
    Yemus sah, wie Torrins Blick durch den Saal schweifte, um die zustimmenden Äußerungen zu zählen. Schließlich sagte er: »So sei es. Es ist der Wille der Mehrheit.«
    »Ich will sehen, wie er von einem Schwert durchbohrt wird - ich will sehen, wie sein Blut über den Boden fließt«, rief einer der unbedeutenderen Lords von Zearn. Yemus erinnerte sich, daß der Mann drei Töchter und zwei Söhne besaß, die alle noch sehr jung waren. Ihm war klar, wie er sich fühlen mußte.
    Torrin schüttelte den Kopf. »Wir werden ihn in der Aptogurria einmauern. Auf diese Weise kann er weiter an einem Weg arbeiten, uns vor den Kin zu retten. Wenn es ihm gelingt, leben wir alle. Wenn nicht… stirbt er mit uns.«
    Torrin nickte den Wachen zu, die neben dem Eingang der Versammlungshalle standen. »Packt ihn. Weckt zwei Maurer, und laßt sie sofort mit ihrer Arbeit beginnen. Tötet jeden, der sich seiner Zelle nähert, egal ob er ihn umbringen oder trösten will. Ich werde einen Krieger abstellen, der ihm das Essen bringt - dieser Mann darf weder mit dem Gefangenen sprechen noch irgendein Zeichen als Antwort auf seine Worte geben.«
    Torrin blickte seinem Bruder in die Augen. »Die Aptogurria hat ihre eigene Wasserversorgung - und das ist gut so. Besser, er stirbt langsam… vor Hunger… Hunger nach Essen, Hunger nach Freunden.«
    Besser, er stirbt langsam.
    Yemus setzte sich nicht zur Wehr, als man ihn abführte, obwohl es ihm nicht schwergefallen wäre zu entkommen. Er war schließlich der einzige Mensch, der noch Magie anzuwenden imstande war. Doch er wollte gar nicht fliehen. Er wollte sterben.
    Yemus wünschte sich, man hätte ihn auf der Stelle umgebracht; aber er sah die Gerechtigkeit ihrer Entscheidung. Er hatte sie alle - ihre Familien und ihre Freunde - zu einem baldigen und fürchterlichen Tod verdammt. Sie hatten das Recht zu entscheiden, auf welche Art und Weise er sterben sollte.
     
     
    Während Yemus in seinem kleinen Zimmer auf der Spitze der Aptogurria saß und dem sanften Klick-Klick der Maurer zuhörte, dachte er immer wieder über die letzten Worte seines Bruders nach.
    Besser, er stirbt langsam.
    Besser, er stirbt langsam.
    Besser, ich wäre niemals geboren worden, dachte Yemus.

KAPITEL EINUNDDREISSIG
     
    Der Boden bewegte sich unter Sophies Füßen. Es war das dritte oder vierte Mal, daß sie dieses Phänomen bemerkte. Einen Augenblick lang glaubte sie zu fallen… aber dann, kurz bevor sie stürzen konnte, hörte es auf. Das Gefühl erinnerte Sophie an irgend etwas… sie dachte nach, und dann erinnerte sie sich. Im Tunnel auf dem Weg nach Glenraven hatte sie ein ähnliches Beben bemerkt.
    »Was war das?« fragte sie die schattenhafte Gestalt neben ihr.
    »Was war was?«
    »Der Boden hat sich bewegt… hast du das nicht gespürt?«
    »Der Boden hat sich nicht bewegt.« Die Stimme gehörte zu Matthiall. »Vielleicht bist du krank.«
    »Das werde ich bald sein.« Sophie wandte sich zu Jay. »Hast du es gespürt?«
    »Du meinst, wie die Erde sich unter meinen Füßen bewegt hat?« Jayjay stöhnte. »Ja.«
    »Was glaubst du war das?«
    »Ein leichtes Erdbeben.«
    Im ersten Augenblick war Sophie dankbar gewesen, als man sie

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