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Gletschergrab

Gletschergrab

Titel: Gletschergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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aufzuregen. Der Alte sollte die Zeit bekommen, die er brauchte.
    Sie sah Steve an und flüsterte, dass sie keine Zeit zu verlieren hätten.
    »Ich habe darüber nachgedacht, wenn die Frage erlaubt ist«, rief Steve in die Küche, »warum Sie immer noch auf der Basis leben. Man sollte meinen, dass Sie schon längst wieder in die USA zurückgekehrt wären. Alle gehen bei der allerersten Gelegenheit von hier weg. Gibt es diesbezüglich eigentlich keine Vorschriften?«
    Thompson kam mit drei Kaffeebechern wieder zu ihnen ins Wohnzimmer.
    »Nehmen Sie Milch oder Zucker?«, fragte er.
    Sie schüttelten beide den Kopf.
    »Kaffee taugt nur etwas, wenn er rabenschwarz und stark ist.«
    130

    Er blickte Steve an. »Ich kann gut verstehen, dass Sie danach fragen«, erwiderte er. »Ich bin 1955 auf diese merkwürdige Insel gekommen. Ich war Hubschrauberpilot in Korea und bin hierher versetzt worden, als das vorbei war, wenn es denn jemals vorbei sein wird. Davor war ich in Deutschland und auf den Philippinen stationiert. Es war ein ziemlicher Einschnitt, so weit nach Norden versetzt zu werden, auf diese Insel mitten im Atlantik, wo die meiste Zeit des Jahres Dunkelheit herrscht. Hier auf der Basis gibt es überhaupt nichts, womit man sich die Zeit vertreiben kann, und die Einheimischen begegnen uns mit Misstrauen. Trotzdem bin ich immer noch hier.«
    »Warum?«, fragte Kristín. »Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob sie euch wirklich so viel Misstrauen entgegenbringen«, fügte sie hinzu und warf Steve einen Blick zu.
    »Ihr Isländer habt ein sehr zwiespältiges Verhältnis zum amerikanischen Militär. Ihr unterbindet jeglichen Kontakt und verhaltet euch, als ob die Amerikaner euch nichts angingen, dabei sagt ihr gleichzeitig, dass ihr nicht ohne sie auskommt. Ich verstehe nicht, wie das zusammenpasst. Ihr profitiert enorm von uns. Wir pumpen Millionen in eure Volkswirtschaft, schon seit Jahrzehnten, trotzdem tut ihr so, als gäbe es uns gar nicht. Ihr seid ein kleines Volk, dem es um seine Selbstständigkeit zu tun ist, und das ist äußerst bewundernswert. Ihr habt die ganze Zeit gegen das Militär protestiert, habt hier mit Transparenten und Schlachtrufen vor dem Checkpoint gestanden, aber jetzt, wo der Kalte Krieg vorüber ist und wir uns hier langsam zurückziehen wollen, sind diese Stimmen ganz und gar verstummt, und plötzlich wollen alle den Stützpunkt behalten, allerdings nur unter der Bedingung, dass ihr keinerlei Kontakt zu uns habt.
    Wenn irgendjemand auf dieser Insel isoliert ist, dann wir.«
    »Wenn das so ist, warum sind Sie dann noch hier?«, fragte Kristín.
    »Ich hatte eine Freundin«, sagte Thompson plötzlich auf 131

    Isländisch, worüber Kristín so erschrak, dass sie den kochend heißen Kaffee verschüttete, an dem sie gerade nippte.

    Ein dunkelgrüner Cherokee-Jeep hielt vor Steves Büro, und David und Simon stiegen aus. Sie hatten den weißen Explorer-Jeep gefunden und waren von dort den Fußspuren zum Büro gefolgt. Mit von der Partie waren ein paar Männer von der Militärpolizei und einige Soldaten in Zivil, die ihnen mit ihren eigenen Jeeps folgten. David und Simon leiteten die Suche nach Kristín und Steve und hatten mit Unterstützung des Admirals einen Suchtrupp zusammengestellt, der durch die Basis patrouillierte, den Verkehr anhielt, Straßensperren errichtete und Verwaltungsgebäude, Hangars und Wohnhäuser durchkämmte.
    Sie sammelten Informationen über Steves Freunde und Bekannte auf der Basis, an die er sich voraussichtlich wenden würde.
    David und Simon gingen zum Bürogebäude und rüttelten an der Tür. Sie war fest verschlossen. Sie liefen um das Gebäude herum zum Hintereingang.
    »Glaubst du, dass sie das waren?«, fragte David und betrachtete die zwei verschieden großen Fußabdrücke, die vom Gebäude aus nach Süden in das älteste Viertel der Basis führten, das hinter dem Andrews-Kino begann.
    »Das ist einfacher als eine Nadel im Heuhafen zu finden«, sagte Simon. Sie folgten den Spuren zu Fuß.
    »Seit wann zeichnen sie die Telefonate von der Basis auf?«, fragte David.
    »Man hat mir versichert, dass das routinemäßig geschieht. Sie registrieren alle Nummern außerhalb der Basis und zeichnen auf, von wo die Telefongespräche kommen.«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass man von hier aus direkt über die Fernmeldezentrale in Reykjavik anrufen kann.«
    132

    »Seit neuestem. Die Isländer haben die Bestimmungen gelockert.«
    »Wen hat er angerufen?«
    »Sie heißt Monica

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