Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gletschergrab

Gletschergrab

Titel: Gletschergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
Vom Netzwerk:
kennt niemand die ganze Wahrheit.«

    Arnolds Kopf flog auf die Seite, als Simon ihm seine Faust ins Gesicht krachen ließ. Seine Augenbraue platzte noch weiter auf.
    Er hätte laut geschrien, wenn sie ihn nicht an einen Stuhl gefesselt und ihm mit dickem, stabilem Klebeband den Mund zugeklebt hätten. Er atmete schnaufend durch die Nase und blickte die beiden Männer in ihren weißen Winteroveralls mit schreckgeweiteten Augen an.
    Sie waren in seine Wohnung eingedrungen und hatten ihn gefragt, ob ihm der alte Toyota draußen auf dem Parkplatz vor dem Haus gehörte. Ihre Bluthunde hatten am Auto angehalten und wollten nicht mehr weiter. Die Motorhaube war noch warm.
    Mit einem Telefonat hatten sie in Erfahrung gebracht, wer der Besitzer des Autos war, und seinen Namen auf dem Klingelschild gefunden. Das war bereits das zweite Mal, dass Arnold diese Nacht aus dem Bett geworfen wurde, und seine Laune war auf dem Gefrierpunkt, als die Männer an der Gegensprechanlage ihn über alles Mögliche auszufragen begannen. Er weigerte sich, sie hereinzulassen, aber sie hatten nicht lange gefackelt und die Tür zu seiner Wohnung 138

    eingetreten.
    Er sagte ihnen, was er wusste. Er war mit Steve und Kristín ins Archiv gefahren und hatte sich dort von ihnen getrennt, weil sie hinter etwas her waren, wovon er keine Ahnung hatte. David und Simon wollten wissen, wonach die beiden gesucht hatten, wo sie jetzt waren und wie sie aus der Basis entkommen wollten. Arnold verfluchte Steve in Gedanken. Wenn er doch dem Mistkerl bloß nicht geholfen hätte.
    Sein Gesicht war blutüberströmt. Diese Kerle waren nicht zimperlich. Arnold, der schon oft mit der Militärpolizei in Konflikt geraten war, hatte die beiden nie zuvor gesehen, geschweige denn solche Verhörmethoden erlebt.
    Sie fesselten ihn an einen Stuhl und schlugen ihn einfach zusammen. Er hatte keine Ahnung, wo Steve und die Isländerin jetzt waren und wonach sie suchten. Er versuchte so lang wie möglich, die einzige Information von Interesse zurückzuhalten, hielt aber nicht lange durch.
    Simon griff nach einer dicken, silbrig schimmernden Rolle Klebeband und biss ein zehn Zentimeter langes Stück davon ab.
    Wie David trug er weiße Gummihandschuhe. Er hielt das Klebeband ausgestreckt zwischen beiden Händen und presste es Arnold fest auf die Nase. Er stand vor ihm und beobachtete, wie er nach Luft rang, als wäre er ein wissenschaftliches Versuchsobjekt. Es war hoffnungslos. Als Arnold das Bewusstsein zu verlieren schien, zog Simon an einer Ecke des Klebebands und riss es ihm von der Nase.
    Arnolds Nasenflügel weiteten sich, als er die Luft einsog. Sein Mund war immer noch zugeklebt, sodass er nur mühsam durch die Nase atmen konnte. Mit aller Kraft schnappte er nach Luft.
    Simon nahm wieder die Klebebandrolle, biss ein weiteres Stück davon ab und klebte Arnolds Nase wieder zu, ohne ein Wort zu sagen oder ihm die geringste Beachtung zu schenken.
    »Ich habe nicht vor, den Fettsack zu beatmen, wenn du das zu 139

    lange machst«, sagte David.
    »Was meinst du, wie viel dieser Dickwanst abspecken sollte?«, fragte Simon.
    »Das ist alles nur eine Frage der Lebensgewohnheiten.«
    »Was frisst so ein Brocken jeden Tag? Fünf Kilo?«
    »Hamburger und Mayonnaise.«
    »Guck mal, wie sich dieser Fettkloß aufbläht«, sagte Simon.
    Beide betrachteten aufmerksam, wie Arnold um sein Leben kämpfte. Er warf sich auf dem Stuhl hin und her. Sein blutiges Gesicht lief rot an und sah aus wie ein riesiger Luftballon kurz vorm Zerplatzen, bis Simon ihm endlich das Klebeband von Mund und Nase riss.
    »Ich habe ein Schlauchboot«, rief Arnold keuchend, sobald er zwischen seinen krampfhaften Atemzügen wieder ein Wort herausbringen konnte. »Steve weiß, wo es liegt. Damit will er von hier fliehen. Macht das bitte nicht nochmal, ich flehe euch an. Lasst mich atmen.«
    »Schlauchboot?«, fragte Simon.
    »Ich habe es, um damit Drogen in die Basis und wieder nach draußen zu schmuggeln. Das mache ich seit zwei Jahren.
    Meistens Kokain, aber auch Speed und Gras und … Ich verkaufe es nach Reykjavik. Dort habe ich zwei Mittelsmänner, die heißen …«
    »Arnold«, sagte David ruhig. »Diese Scheiße kannst du dir sonst wohin stecken. Wo ist das Boot?«
    »Das Boot, natürlich. Es liegt in einer Bucht westlich von der Basis. Wo der Weg vom großen Depot nach rechts in die Lava führt, ist ein Loch im Zaun. Wenn man hinter dem Loch geradeaus weitergeht, stößt man nach circa fünfhundert Metern auf

Weitere Kostenlose Bücher